Geschichten aus Bruderfels

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Camor
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Geschichten aus Bruderfels

Beitrag von Camor » 22 Jun 2016, 09:04


Viele Feuerschalen und unzählige Kerzen erhellten die große Halle des Wehrklosters Bruderfels in dem sich die Priester und Priesterinnen der Brüder dicht an dicht drängten. Der Schildhüter, Abt Rudger hatte eine Versammlung einberufen und sogar die erste Priesterin Ildala Sternwacht, die man dieser Tage selten aus ihrem Turm herauskommen sah, folgte seinem Ruf. So saß am Kopf der Tafel, unter dem schwarzen Brüderrad auf Gold, der Schildhüter selbst in der Mitte. Zu seiner Rechten die erste Priesterin Ildala und zu seiner linken der engste Vertraute des Abtes, Schildbruder Emeran. Neben Emeran hatte ein Speerbruder namens Tharfried Platz genommen.
Gestützt von Bruder Emeran erhob sich der alte Abt und räusperte sich einmal, worauf die Gemeinschaft der Priester sogleich verstummte und ihn erwartungsvoll anblickte. „Ehre sei Thar & Thorm, meine lieben Brüder und Schwestern, “ sprach der Schildhüter mit leiser Stimme. „Ich habe euch zusammen gerufen, da der Speerbruder Tharfried hier höchst beunruhigende Nachrichten aus den Landen der Lesathen zu uns bringt. Ihr habt das Wort, Speerbruder.“

Der feiste Speerbruder erhob sich und dankte dem Abt. Er versuchte, seine zitternden Finger unter Kontrolle zu bringen und holte tief Luft. Dann begann er zu sprechen:
„Ich reiste unlängst mit Herr Raidon von Hallstatt zu Tal am See und einigen Knechten in die Lande der Lesathen, um dort zur hlg. Clara zu Pilgern und den Bau der Clara Kathedrale zu planen. Leider wart das Land verseucht von Ebermännern und anderem Gezücht, sodass wir es zunächst mit Feuer und Speer reinigen mussten. Eines Abends stand ein Trupp dieser Ebermänner vor den Toren des Lagers und wir stürmten dem Feind entgegen. Einzig Raidon selbst verblieb zum Schutze der Schwachen im Lager zurück, so wie es Thorm gefällt. Wir erstürmten die Reihe der Feinde, wie die Brüder es uns gelehrt hatten, doch war es nur der halbe Trupp Ebermänner, der sich vor dem Lager versammelte. Zu spät bemerkten wir, dass die andere Hälfte sich von hinten ins Lager schlich. Als wir dem gewahr wurden, stürmten wir zurück zur Tafel der Kelchherren, doch kamen wir zu spät. In seinem Blute und mit geöffneter Brust lag der Ritter danieder, in einem Kreis aus erschlagenen Feinden. Wir hielten ihn bereits für tot, doch zitterte er plötzlich und schrie wie im Wahn. Ein Heiler kam herbei und wir Anderen sprachen Gebete zu den Brüdern und der heiligen Clara, auf das sie den weißen Wolf verschonen. Und wie durch ein Wunder der Heiligen gelang es dem Heiler, Raidons Brust zu schließen und sein Leben zu bewahren. Die Schreie, die er während dieser Zeit ausrief, trieben mir die Angst in die Knochen und den Schweiß auf die Stirn.
Später saß ich mit dem immer noch schwachen Ritter beisammen und er offenbarte mir seine Vision, die er während seiner Verwundung erlebte. Er sprach mit zittriger Stimme: „Tharfried, ich sah die Brüder. Ich stand in einer Schlacht, der letzten Schlacht. Sie waren verwundet doch die hlg. Clara war bei ihnen und fing ihr Blut in einem goldenen Kelch auf. Ich blickte nach vorn und sah die unzähligen Horden des Widersachers, die auf uns zu stürmten. Ich blickte mich um und sah die wenigen, die auf dem Schlachtfeld für die Brüder aufmarschiert waren. Es waren zu wenige Tharfried. WIR VERLIEREN DIE LETZTE SCHLACHT. Dann blickten sich die Brüder um und sahen mir in die Augen. Sie sprachen „jetzt noch nicht, Raidon“ und dann sah ich dein Gesicht, Tharfried.“

Einige Augenblicke war es so still, dass man einen Bierhumpen hätte fallen hören können. Dann erhob sich ein älterer Schildbruder auf den hinteren Plätzen und rief: „Lüge!“ Kurz darauf brach Tumult aus. Die meisten der Brüder und Schwestern riefen durcheinander. Und schon nach kurzer Zeit kam es zu handfesten Rangeleien unter den Speerbrüdern. Ein Krach erhob sich wie von einer Schlacht und der alte Abt sank resigniert auf seinem Stuhl zurück. Ildalas Miene verfinsterte sich und sie erhob sich, duckte sich aber sogleich wieder vor einem fliegenden Bierhumpen. Sie zog ihren Rabenschnabel und hämmerte mit der flachen Seite so laut auf dem Tisch, dass der Klang wie ein Donnerschlag durch die Halle dröhnte. „RUHEEEE“ schrie sie, worauf sie gut 100 Augenpaare schuldbewusst anblickten und nach einem kurzen Moment des Schweigens setzten sich die meisten Brüder und Schwestern wieder. „Wie ein jeder von euch weiß, habe auch ich einst die Brüder gesehen und ich kann euch sagen, die Beschreibungen, die Bruder Tharfried mir berichtete, decken sich mit meinen eigenen Erfahrungen. Ich habe keinen Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der Worte des von den Brüdern erwählten und allein ahnenden Raidon von Hallstatt.“

Erneutes Schweigen folgte auf Ildalas Worte und der ehrenwerte Abt erhob sich ein weiteres Mal. „Wir sind heute nicht hier um zu streiten, Brüder und Schwestern. Auch ich hege keinerlei Zweifel an dem Bericht von Speerbruder Tharfried. Zu viele Seelen gehen ins Nirgendmeer ein und wir sind heute hier, um zu beratschlagen, wie wir mehr Seelen in die Zitadelle der Brüder eingehen lassen können, auf das sie die ewige Schlacht unterstützen können. Keine leichte Aufgabe liegt nun vor uns. Vielleicht die schwerste Bürde, vor der der Orden des Thar und Thorm je stand. Doch werden wir dieser Herausforderung entschlossen entgegen treten. Ich erwarte nun eure Vorschläge zur Errettung der Seelen.“

Betroffenes Schweigen erfüllte den Raum und die Brüder und Schwestern sahen sich hilfesuchend um. Eine junge Speerschwester erhob sich und sprach: „wir müssen den Glauben über die Grenzen hinaus verbreiten und die Heiden mit Feuer und Speer zu den Brüdern führen.“ Gemurmel und vornehmlich Kopfschütteln folgte ihren Worten. Da erhob sich eine alte Schildschwester und sprach: „Wir müssen mehr missionieren, ja. Aber die Heiden müssen aus freien Stücken zu den Brüdern finden.“ Weitere Stimmen wurden laut: „Wir müssen die Nordmarker härter strafen, die gegen die göttlichen Gesetzte verstoßen“, sprach ein Speerbruder. „Wir müssen ausziehen und den Nordmarkern mehr Wissen um die Lehren der Götter bei zu bringen“, rief ein Schildbruder dagegen. „Unsinn, wir brauchen eine Pilgerreise zu den Brüdern, ähnlich wie es sie zur heiligen Clara gibt. Damit diese, die im Glauben hadern und Gefahr laufen, dem Nirgendmeer anheim zu fallen, durch Prüfungen und Aufgaben zu dem wahren Glauben zurück finden“, sprach ein weiterer Speerbruder.

Und so herrschte noch bis tief in die Nacht rege Diskussion in den heiligen Hallen von Bruderfels, wie sie der großen Aufgabe begegnen sollen…
when the going gets weird, the weird turn pro!

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