Eine Priesterin auf Reisen

[Ildala Sternwacht]

Einige Tage waren Ildala und ihr Begleiter Bernart nun schon auf der See unterwegs.
Es war eine unruhige Fahrt und die beiden hielten sich die meiste Zeit unter Deck auf.

Ildala nahm es gelassen, dies war nicht ihre erste Seereise und doch konnte sie sich im Moment eine angenehmere Art zu reisen vorstellen.
Sie lag auf Ihrer Pritsche und döste vor sich hin, während Bernart in seinen Notizen stöberte und ab und an ein paar Zeilen schrieb.
Das Kratzen von Bernarts Feder, das schummrige Licht der Kerzen und das schaukeln des Schiffes ließ sie in einen langsamen, unruhigen Traum gleiten.

Sie war in ihre Novizinengewänder gekleidet und trug einen kleinen Wimpel am Gürtel mit dem goldenen Phönix.
Die Sonne stand gleißend hell am Himmel und brannte erbarmungslos auf sie nieder, der Schweiß stand ihr auf der Stirn.
Neben ihr standen weitere Streiter, nervös und angespannt. Sie alle schienen auf etwas zu warten, Befehle wurden gebrüllt und die Waffen wurden gezogen.
Und auf einmal brach die Hölle los, ein schreckliches Kreischen ließ sie zu Boden stürzen, der Schmerz war unerträglich.


Bernart sah von seinem Buch auf und runzelte die Stirn, die Priesterin schien eingeschlafen zu sein, jedoch wälzte sie sich unruhig hin und her, stöhnte und murmelte etwas unverständliches.

[Johannes]

Träumt wahrscheinlich schlecht.
dachte Bernart sich.
Kein Wunder, bis gestern habe ich auch keine ruhige Minute Schlaf bekommen, bei diesem Geschaukel - wenn ich nicht sowieso über
der Reling hing und ins Meer spie, anstatt mich hinzulegen...

Zum Glück hatte Bernart sich recht schnell an den Seegang gewöhnt - das Reisen auch per Schiff würde ja nun zu seinem Leben gehören.
Zufrieden setzte er einen Punkt hinter den letzten Satz seines Reiseberichtes, und fluchte laut, denn aus dem Punkt war ein großer Tintenklecks geworden.

[Ildala Sternwacht]

Ildala schnellte hoch und stieß einen kleinen Schrei aus.
Ihr Blick schweifte blinzelnd durch den Raum.

Ein wenig erschrocken sah Bernart sie an, sagte jedoch nichts.
Ildala rieb sich die Augen, stand auf und ging zu dem kleinen Tisch herüber an dem er saß.
Sie griff nach dem Krug mit dem Wein und nahm einen großen Schluck daraus.
Seufzend wischte sie sich den Mund trocken und sah Bernart an.

"Es kommt leider manchmal vor, dass mich diese Träume heimsuchen, ihr werdet euch in der Zeit, in der wir zusammen reisen und nächtigen noch daran gewöhnen".

Ildala lächelte und versuchte ihre Unsicherheit zu verbergen, ihr war es jedes Mal unangenehm und auch peinlich wenn jemand Zeuge, ihrer nächtlichen, wirren Reisen in die Vergangenheit wurde.

Und das war es schon wieder, ein seltsamer, verzerrter Ausflug in die Vergangenheit.
Ildala hatte von Mythodea geträumt, sie war vor einigen Jahren schon einmal dort gewesen, unter dem Banner des Phönixkönigs von Kargath. Sie war jung und ungestüm gewesen und sie hatte schon damals viel schreckliches dort gesehen, Untote, Krieg, Blut und schreckliche Wesen deren Schrei einem durch Mark und Bein ging. Damals, als sie diese Schreie hörte wünschte sie sich sogar sehnlichst den Tod, nur damit wieder Ruhe in ihrem Kopf einkehrte.

Ildalas Blick wurde glasig, ihre Gesichtszüge hart und nachdenklich.

[Johannes]

Etwas verunsichert blickte Bernart sie an.
Entweder hat sie ein paar schlimme Dinge gesehen, oder die alten Götter schweben ihr noch im Kopf herum, dachte Bernart sich,
und blickte wieder in sein Buch, verzweifelt auf seinen Versuch konzentriert, den Klecks mit Löschsand und einem Schwämmchen wieder zu entfernen...

[Ildala Sternwacht]

Bernart, ich bin neugierig, was genau notiert ihr dort so fleissig?

Ildala versuchte zaghaft ein Gespräch mit dem jungen Schreiber zu beginnen.

[Johannes]

Nunja, ich schreibe die Ereignisse der Reise nieder, für die Nachwelt. Wobei, wenn sich nichts sonderliches mehr
ereignet, ich für den Rest der Seereise zumindest das Buch nicht mehr aufschlagen muss, bis auf den ewigen
Seegang ist es doch recht ruhig...
Bernart grinste.
Nunja, allzu lange wird die Fahrt ja wohl nicht mehr dauern...

[Ildala Sternwacht]

"Es wird gut sein, wenn ihr eure Schrifthand schont, denn in Falkenstein wird sicherlich eine Menge geschehen, das es sich lohnt niederzuschreiben.
Ob dies gute oder schlechte Dinge sein werden, wird sich noch zeigen, im Moment weiß ich selber nicht genau was wir dort vorfinden werden. Ich habe nur flüchtige Nachrichten von den Unruhen erhalten. Ich hoffe die Unruhen verschonen Aarsblick und die Menschen die sich dort nieder gelassen haben."

Ildala stand auf und durchschritt die kleine Kabine.

"Ich denke wir werden bald am Hafen von Sankt Georg sein. Vielleicht sollten wir unsere Sachen schon einmal zusammen packen und es uns an Deck gemütlich machen. Ich finde es immer wieder aufregend, wenn nach so vielen Tagen auf See, plötzlich Land am Horizont auftaucht."

[Johannes]

Einverstanden, viel habe ich sowieso nicht einzupacken. Ja, ich bin sehr gespannt darauf, was uns erwartet, von den Unruhen und all jenen Dingen habe ich noch nicht viel mitbekommen...