Der Winter ist hart in der Nordmark...

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Tankred
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 06 Dez 2010, 00:26


Endlich wieder bei Kräften stand ich früh auf und bereitete mich auf mein Tagwerk vor.
Ulfgar kam zu mir, reichte mir Speer und dickes Fell zur Kleidung, denn weit sollte unser Weg heute gehen. Wohin wollte er aber nicht verraten. Er sagte nur: "Es gibt Wunder, die müssen im Winter geschehen."

Wir gingen also tief in den Wald, wobei uns Iris zu meiner Freude und auch der schweigsame Otar und die Pelzjäger Finn und Urs begleiteten.

Aufmerksam schlichen wir wie Diebe sicherlich drei Stunden durch den Wald, die Bäume wurden immer älter und die kahlen Äste bildeten langsam ein dichtes Dach über unseren Köpfen. Zu Beginn unserer Wanderschaft wirkte der Wald noch, nun irgendwie heimelig, aber nun, seit kurzer Zeit, erschien mir der Wald älter und, nun, auch dunkler. Als hätte man einen wilden Garten durch ein kaum sichtbaren Durchgang verlassen und befindet sich auf einmal in einem Urwald.

Ja, Urwald war wirklich das richtige Wort. Ob ich es auch spüren würde, fragte mich Iris, welche zu mir aufgeschlossen hatte und kurz meine Hand drückte. Ich nickte. Geradezu unheimlich fühlte ich mich hier als Eindringling. Als sollte kein Mensch diesen Ort betreten.

Auf einmal lichtete sich der Wald und wir standen auf einer Lichtung. Vor uns wie ein Fremdkörper ein Felsen, sicherlich50 Schritt hoch. Ihm auf´s Haupt gesetzt ein Ring aus scharkantigem Onyx. Wie eine dunkle Krone wirkte es. Seitlich gingen in den Stein geschlagene verwitterte Stufen auf den Felsen hinauf.

Ulfgar deutete mir, dass wir nach oben gehen würden. Oben erkannte ich, dass in jeder Onyx-Spitze ein Sitz herausgeschlagen wurde. und vor diesen Sitzen Tische aus verwittertem Granit.

"Dies hier," sprach Ulfgar, "ist der Thingplatz des letzten Bündnisses vor der Ankunft Thar und Thorms. Hier saßen unsere Ahnen und hofften auf ein Zeichen der alten Kulte. Aber nichts offenbarte sich ihnen. Nana erzählt, dass angeblich Zwerge diese Sitze aus schwarzem Vulkanglas geschafffen hätten als Zeichen des Friedens zwischen den Völkern. Wie du siehst, sind in jeder Rückenlehne die Zeichen eines Totems aus rotem Gold eingesetzt. Man kann noch ein wenig die Linien erkennen, soweit der Grünspan dies ermöglicht.
Hier stellten die Menschen vor tausend Jahren ihre letzte Hoffnung auf. Sie warteten nach getaner Arbeit unten, aber nichts geschah, um sie vor dem Schatten zu erlösen."
Ich war geradezu ergriffen, als ich einen Teil unserer aller Geschichte hier so versteckt und verlassen vor mir sah.
Otar blickte prüfend in Richtung Sonne: "Wir müssen wieder umkehren, wenn wir es bis zum Anbruch der Dunkelheit wieder heim schaffen wollen."

Ein Rabenschrei ließ uns alle zur Treppe herumfahren und zum Abstieg hinlaufend bemerkten wir noch zahlreiche dunkle Schatten die zwischen den Bäumen verschwanden.
Sofort hasteten wir hinunter und stellten fest, dass in der Zeit, in der wir oben waren augenscheinlich zahlreiche Tiere aus dem Wald gekommen, sich am Felsengrund versammelt und verharrt waren.

Wir fanden Spuren von Hasen, Füchsen, Wölfen, Wildschweinen, Raben, Ziegen, Luchs und sogar drei ausgewachsenen Bären. Diese ganzen Tiere waren in Rudelgrößen aus dem Wald gekommen, wohl um uns zu beobachten.

Schleunigst und tief in Gedanken versunken gingen wir wieder heim nach Beorsing das wir kurz vor Anbruch der Nacht erreichten. Am Feuer wärmten wir uns auf und unterhielten uns leise.

Die Alte ließ sich zwar nichts anmerken, aber ich hatte das Gefühl, dass sie uns durch ihre ins Gesicht hängenden Haare taxierte. Dann endlich der übliche Abendablauf, sie hob an:


"Die Fee

Es war einmal eine Witwe, die hatte zwei Töchter: die Ältere glich ihr so sehr in ihrem Wesen und in ihrem Äußeren, daß man bei ihrem Anblick die Mutter zu sehen glaubte. Beide waren sie so widerwärtig und so hochmütig, daß man nicht mit ihnen auskommen konnte. Die jüngere dagegen war in ihrer Sanftmut und Freundlichkeit das wahre Ebenbild ihres Vaters; darüber hinaus war sie eines der schönsten Mädchen, das man sich denken konnte. Wie man nun gemeinhin sein Ebenbild liebt, so war diese Mutter ganz vernarrt in ihre ältere Tochter und hegte gleichzeitig eine tiefe Abneigung gegen die jüngere. Sie ließ sie in der Küche essen und ohne Unterlaß arbeiten.

So mußte dieses arme Kind unter anderem zweimal täglich eine gute halbe Meile vom Hause entfernt Wasser schöpfen gehen und einen großen Krug bis zum Rande gefüllt heimtragen. Eines Tages, als sie zu dem Brunnen gegangen war, trat eine arme Frau auf sie zu und bat sie, ihr zu trinken zu geben. "Gerne, liebes Mütterchen", sagte das schöne Mädchen, spülte seinen Krug, schöpfte ihr an der klarsten Stelle des Brunnens Wasser und bot es ihr dar, wobei sie den Krug stützte, damit sie leichter trinken konnte.

Nachdem die gute Frau getrunken hatte, sagte sie zu ihr: "Ihr seid so schön und so gut und so freundlich, daß ich Euch gern ein Geschenk machen möchte. Es war nämlich eine Fee, die die Gestalt einer armen Bäuerin angenommen hatte, um zu prüfen, wie weit die Freundlichkeit des jungen Mädchens ginge. Ich verleihe Euch die Gabe", fuhr die Fee fort, "daß bei jedem Wort, das ihr sprecht, eine Blume oder ein Edelstein aus Eurem Munde fällt."

Als das schöne Mädchen nach Hause kam, schimpfte seine Mutter, weil es sich so lange am Brunnen aufgehalten hatte. "Ich bitte um Verzeihung, liebe Mutter", sagte das arme Mädchen, "daß ich so lange ausgeblieben bin." Als sie aber diese Worte sprach, fielen ihr zwei Rosen, zwei Perlen und zwei große Diamanten aus dem Mund. "Was sehe ich da", sagte die Mutter ganz erstaunt, "ich glaube, ihr fallen Perlen und Diamanten aus dem Munde! Wie kommt denn das, meine Tochter?" Es war das erste Mal, daß sie sie ihre Tochter nannte. Da erzählte ihr das arme Kind ganz harmlos, was ihr begegnet war, nicht ohne eine Unzahl von Diamanten auszustreuen. "Wahrhaftig", sagte die Mutter, "da muß ich meine Tochter hinschicken. Da, Fanchon, seht nur, was aus dem Munde Eurer Schwester fällt, wenn sie spricht; wäre es nicht schön für Euch, wenn Ihr auch diese Gabe hättet? Ihr müßt nur zum Brunnen gehen und Wasser schöpfen, und wenn Euch eine arme Frau um einen Trunk bittet, ihr recht freundlich zu trinken geben." "Wie sieht denn das aus? Zum Brunnen gehen?" entgegnete das unfreundliche Mädchen. "Ich will, daß Ihr dorthin geht", versetzte die Mutter, "und zwar sofort." Sie ging, doch ließ sie nicht ab zu murren. Sie nahm die schönste silberne Karaffe, die im Hause war, und kaum war sie am Brunnen angelangt, als sie aus dem Walde eine prächtig gekleidete Dame hervortreten sah, die sie bat, ihr zu trinken zu geben. Es war dieselbe Fee, die ihrer Schwester erschienen war, sie hatte jedoch die Erscheinung und Kleidung einer Prinzessin angenommen, um zu prüfen, wie weit die Unfreundlichkeit dieses Mädchens ginge.

"Bin ich denn hierher gekommen, um Euch zu trinken zu geben?" sagte sie unfreundlich und hochmütig, "ich habe wohl diese silberne Karaffe eigens mitgenommen, um der gnädigen Frau zu trinken zu geben? So hört einmal gut zu: trinkt doch aus dem Brunnen, wenn Ihr Durst habt." "Ihr seid nicht gerade freundlich", versetzte die Fee, ohne zornig zu werden, "nun gut, wenn Ihr so unhöflich seid, will ich Euch die Gabe verleihen, daß Euch bei jedem Wort, das Ihr sprecht, eine Schlange oder eine Kröte aus dem Mund fällt."

Als die Mutter ihre Tochter erblickte, rief sie: "Wie war's, meine Tochter?" "So war's, Mutter", entgegnete das unfreundliche Mädchen, indem es zwei Vipern und zwei Kröten ausspie. "Um Himmels willen", schrie die Mutter, "was sehe ich? Daran ist deine Schwester schuld: ich will es ihr heimzahlen!" Und augenblicklich eilte sie davon, um sie zu schlagen. Das arme Mädchen aber entfloh und konnte sich im nahen Wald verstecken. Dort traf es der Sohn des Königs, der von der Jagd heimkehrte, und da er es so schön fand, fragte er es, was es hier so alleine triebe und warum es weine. "Ach, gnädiger Herr, meine Mutter hat mich aus dem Hause gejagt." Der Königssohn, der fünf oder sechs Perlen und ebenso viele Diamanten aus seinem Munde fallen sah, bat es, ihm zu erzählen, wie es dazu gekommen sei. Es erzählte ihm alles, was sich zugetragen hatte. Der Königssohn verliebte sich in das Mädchen, und da er wohl bedachte, daß eine solche Gabe mehr wog als irgendeine andere Mitgift, nahm er es mit auf das königliche Schloß seines Vaters und heiratete es.

Ihre Schwester indes zog sich solchen Haß zu, daß ihre eigene Mutter sie aus dem Hause jagte; und die Unglückliche irrte vergebens umher, um jemand zu suchen, der sie aufnahm, bis sie einsam an einem Waldrand den Tod fand.

Jaja, die Jugendstreiche," endete sie.

Mit wohligem Schauer verließen die Menschen die Hütte und ich legte mich auf mein Lager.
Was hatte das nur zu bedeuten, fragte ich mich. Ich war richtig ergriffen über mein Erlebnis. Ich hatte das Gefühl Teil von etwas Wichtigem zu sein.

"Sie sind immer noch dort draußen und warten." Sofort war ich wieder wach!
"Nana?" fragte ich. "Natürlich, wer sonst?" kam die Antwort zurück. "Schwach sind sie geworden ob ihrer Faulheit und ihres Verrates an den Menschen des Nordens. Aber jetzt noch hoffen sie, dass sie wieder ihre alte Stärke zurück erlangen und ihren alten Platz wieder einnehmen können. Nun schlaf.... schlaf!"

Dies war das lettte, woran ich mich an diesem Abend erinnere.
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Tankred
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 06 Dez 2010, 23:32


Der nächste Tag war wie dafür geschaffen unter einem sicheren Dach zu verweilen.
Ein Schneesturm tobte sich über unseren Köpfen aus. Schon in der Nacht hatte er angefangen an den Fensterläden zu rütteln und das Reet zu zerzausen, um sich dann im Laufe des Morgens zu einem lauten Geschrei der Urgewalten zu entwickeln.
Wer hinaus musste, blieb nicht lang und früh schon saßen alle, die nichts anderes zu tun hatten in Ulfgars Halle.

Zur Mittagszeit war es wohl, als sich zum Heulen des Sturmes noch das Heulen der Wölfe mischte. Die Kinder schauten ängstlich drein, wir anderen gespannt zur Tür.
Auf einmal ein lautes Klopfen an der Tür. Zwei Mann, welche direkt davor standen öffneten vorsichtig und herein stolperte Otar.
Die Wölfe versuchten in die Ställe zu kommen und jeder Kampffähige müsse sofort mit hinaus um diese zu vertreiben.

Gesagt getan, nahm sich jeder von uns eine Fackel und einen Speer und trat vor die Tür. Man konnte vor lauter Schnee kaum die Hand vor Augen geschweige denn seinen Nebenmann oder gar Wölfe sehen. In einer langen Reihe gingen wir in Richtung der Ställe. Mir erschien es so, als würden schnelle dunkle Schatten vor uns zurück weichen.

Auf einmal hörte ich hinter mir ein Knurren. Ich drehte mich schnell um und sah im Licht der Fackel zwei leuchtende Punkte, die sich dann doch vor mir zurück zogen. Schnell drehte ich mich wieder zu meinen Kameraden um, aber sie waren bereits weiter gegangen und nur ein dunkler Schatten war noch von einem zu sehen. Ich stolperte hinterdrein, denn eine andere Orientierung war mir nicht möglich. Weiter ging es in den Schnee, aber die Gestallt blieb nicht stehen, sondern ging immer weiter in die Dunkelheit hinein.
Zu meinem Schrecken sah ich neben mir Bäume auftauchen. Wer auch immer da vor mir ging, er schien sich selber verlaufen zu haben. Ich wollte gerade laut rufen, als der Schatten vor mir seinen Speer hoch hielt und ein Leuchten von dessen Spitze ausging. Ein Schein, hell wie ein Sonnenstrahl durchteilte den Schnee, ja ließ ihn geradezu verdampfen und dort wo er auftraf, sah ich einen schwarzen Giganten stehen. Vom Körper her ein Bär, aber mit einer verzerrten Fratze einem alten glatzköpfigen Menschen nicht unähnlich, hob dieser einen riesigen Hammer. Statt Augen sah ich nur onyxfarbene mandelfärmige große Flächen, sie erschienen groß wie ein Gänseei zu sein.
Als das Ungeheuer im Licht getaucht wurde, zischte es auf und ließ ein Brüllen hören, dass mir das Blut aus den Herzen treiben ließ. Mit letzter Klarheit sah ich den Krieger mit dem leuchtendem Speer dem Monster hinterher in die Dunkelheit folgen. Und Dunkelheit umfing auch mich.

Als ich wieder erwachte, lag ich vorm Feuer in Ulfgars Höhle. Sie hatten mich auf Fellen gebetet und Iris beugte sich gerade über mich.
Man hätte mich wohl 200 Schritt tief im Wald gefunden. Ich hätte mich wohl verlaufen und war fast vollständig unter Schnee begraben gewesen als man mich fand. Ein Wunder, dass die Wölfe, welche übrigens abgewehrt worden sind, mich nicht geholt hätten.
Vier Tiere des Rudels habe man erwischt.
Ich erzählte ihnen von meinem Erlebnis, dem Krieger und dem Ungeheuer. Sofort fühlte Iris meine Stirn ob das Fieber wieder ausgebrochen sei. Alle waren wohl der Meinung, ich hätte wohl einen Krankheitsrückfall gehabt.

Nur die Alte starrte mich an, aber als ich ihren Blick erwiderte, fing sie sofort an zu erzählen:


Spindel, Weberschiffchen und Nadel

Es war einmal ein Mädchen, dem starben Vater und Mutter, als es noch ein kleines Kind war. Am Ende des Dorfes wohnte in einem Häuschen ganz allein seine Patin, die sich von Spinnen, Weben und Nähen ernährte. Die Alte nahm das verlassene Kind zu sich, hielt es zur Arbeit an und erzog es in aller Frömmigkeit. Als das Mädchen fünfzehn Jahr alt war, erkrankte sie, rief das Kind an ihr Bett und sagte: "Liebe Tochter, ich fühle, dass mein Ende herannaht, ich hinterlasse dir das Häuschen, darin bist du vor Wind und Wetter geschützt, dazu Spindel, Weberschiffchen und Nadel, damit kannst du dir dein Brot verdienen." Sie legte noch die Hände auf seinen Kopf, segnete es. Darauf schloss sie die Augen, und als sie zur Erde bestattet wurde, ging das Mädchen bitterlich weinend hinter dem Sarge und erwies ihr die letzte Ehre.

Das Mädchen lebte nun in dem kleinen Haus ganz allein, war fleißig, spann, webte und nähte; und auf allem, was es tat, ruhte der Segen der guten Alten. Es war, als ob sich der Flachs in der Kammer von selbst mehrte; und wenn sie ein Stück Tuch oder einen Teppich geweht oder ein Hemd genäht hatte, so fand sich gleich ein Käufer, der es reichlich bezahlte, so dass sie keine Not empfand und andern noch etwas mitteilen konnte.

Um diese Zeit zog der Sohn des Königs im Land umher und wollte sich eine Braut suchen. Eine arme sollte er nicht wählen, und eine reiche wollte er nicht. Da sprach er: "Die soll meine Frau werden, die zugleich die Ärmste und die Reichste ist." Als er in das Dorf kam, wo das Mädchen lebte, fragte er, wie er überall tat, wer in dem Orte die Reichste und die Ärmste wäre. Sie nannten ihm die Reichste zuerst, die Ärmste, sagten sie, wäre das Mädchen, das in dem kleinen Hause ganz am Ende wohnte. Die Reiche saß vor der Haustür in vollem Putz, und als sich der Königssohn näherte, stand sie auf, ging ihm entgegen und neigte sich vor ihm. Er sah sie an, sprach kein Wort und ritt weiter. Als er zu dem Hause der Armen kam, stand das Mädchen nicht an der Tür, sondern saß in seinem Stübchen. Er hielt das Pferd an und sah durch das Fenster, durch das die helle Sonne schien, das Mädchen am Spinnrad sitzen und emsig spinnen. Es blickte auf, und als es bemerkte, dass der Königssohn hereinschaute, ward es über und über rot, schlug die Augen nieder und spann weiter; ob der Faden diesmal ganz gleich ward, weiß ich nicht, aber es spann so lange, bis der Königssohn wieder weggeritten war. Dann trat es ans Fenster, öffnete es und sprach: "Es ist so heiß in der Stube"; aber es blickte ihm nach, solange es noch die weißen Federn an seinem Hut erkennen konnte.

Das Mädchen setzte sich wieder in seine Stube zur Arbeit und spann weiter. Da kam ihm ein Spruch in den Sinn, den die Alte manchmal gesagt hatte, wenn es bei der Arbeit saß, und es sang so vor sich hin:

"Spindel, Spindel, geh' du aus,

Bring' den Freier in mein Haus."

Was geschah? Die Spindel sprang ihm augenblicklich aus der Hand und zur Tür hinaus; und als es vor Verwunderung aufstand und ihr nachbuckte, so sah es, dass sie lustig in das Feld hinein Mozte und einen glänzenden goldenen Faden hinter sich herzog. Nicht lange, so war sie ihm aus den Augen entschwunden. Das Mädchen, da es keine Spindel mehr hatte, nahm das Weberschiffchen in die Hand, setzte sich an den Webstuhl und fing an zu weben.

Die Spindel aber tanzte immer weiter, und eben als der Faden zu Ende war, hatte sie den Königssohn erreicht. "Was sehe ich?" rief er, "die Spindel will mir wohl den Weg zeigen?" drehte sein Pferd um und ritt an dem goldenen Faden zurück. Das Mädchen aber saß an seiner Arbeit und sang:


"Schiffchen, Schiffchen, webe Jein,

Führ' den Freier mir herein."


Alsbald sprang ihr das Schiffchen aus der Hand und sprang zur Tür hinaus. Vor der Türschwelle aber fing es an, einen Teppich zu weben, schöner, als man je einen gesehen hat. Auf beiden Seiten blühten Rosen und Lilien, und in der Mitte auf goldenem Grunde-stiegen grüne Ranken herauf, darin sprangen Hasen und Kaninchen; Hirsche und Rehe streckten die Köpfe dazwischen, oben in den Zweigen saßen bunte Vögel; es fehlte nichts, als dass sie gesungen hätten. Das Schiffchen sprang hin und her, und es war, als wüchse alles von selber.

Weil das Schiffchen fortgelaufen war, hatte sich das Mädchen zum Nähen hingesetzt. Es hielt die Nadel in der Hand und sang:


"Nadel, Nadel, spitz und fein,

Mach' das Haus dem Freier rein."


Da sprang ihr die Nadel aus den Fingern und flog in der Stube hin und her, so schnell wie der Blitz. Es war nicht anders, als wenn unsichtbare Geister arbeiteten. Alsbald überzogen sich Tisch und Bänke mit grünem Tuch, die Stühle mit Samt, und an den Fenstern hingen seidene Vorhänge herab. Kaum hatte die Nadel den letzten Stich getan, so sah das Mädchen schon durch das Fenster die weißen Federn von dem Tinte des Königssohns, den die Spindel an dem goldenen Faden herbeigeholt hatte. Er stieg ab, schritt über den Teppich in das Haus hinein, und als er in die Stube trat, stand das Mädchen da in seinem ärmlichen Kleid, aber es glühte darin wie eine Rose im Busch. "Du bist die Ärmste und auch die Reichste", sprach er zu ihr, "komm' mit mir, du sollst meine Braut sein." Sie schwieg, aber sie reichte ihm die Hand. Da gab er ihr einen Kuss, führte sie hinaus, hob sie auf sein Pferd und brachte sie in das königliche Schloss, wo die Hochzeit mit großer Freude gefeiert ward. Spindel, Weberschiffchen und Nadel wurden in der Schatzkammer verwahrt und in großen Ehren gehalten.

Wie üblich zogen sich alle zurück.
Mir warf die Alte zwar noch einen Blick zu, aber sprach diesmal nicht zu mir. Was soll´s auch, ich hatte genug um darüber nachzudenken. Ein Traum war es sicherlich nicht, was ich erlebte.
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Tankred
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 07 Dez 2010, 23:51


Was für eine Nacht, der Sturm war tatsächlich noch stärker geworden und hielt uns wohl ausnahmslos alle wach.
Verzagt verblieben wir an diesem Tag in der Halle. Die Arbeit außerhalb wurde auf das Nötigste beschränkt.

Iris setzte sich zu mir und wir unterhielten uns über alles Mögliche. Sie verlor ihren Mann nur zwei Wochen nach ihrer Hochzeit durch eine Blutvergiftung, die er sich durch einen Schnitt an einer Wolfsangel geholt hatte. Seit dem bewirtschaftet sie das Haus ihrer verstorbenen Eltern allein.
Ich dagegen hatte bisher noch keine Familie gründen können, da die wirtschaftlichen Mittel fehlten.
So unterhielten wir uns den gesamten stürmischen Tag. Und kein Wort war unnütz oder umsonst.

Abends endlich beendete eine Geschichte der alten Nana den Tag:


"Die stolze Föhre

Auf einem weiten Feld stand einst ein uralter Baum von so herrlichem Wuchs, dass er in der ganzen Umgebung nur "Die stolze Föhre" genannt wurde.

In ihrem Stamm hauste eine wunderschöne Fee, die Tag für Tag, in ein altes Mütterlein verwandelt, am Wegrand saß und bettelte. Sie wollte einen guten Menschen finden, den sie zur Belohnung für sein ganzes Leben glücklich machen wollte. Jedoch niemand vermutete in dem alten Bettelweib die wunderschöne Fee.

Zur gleichen Zeit lebte im nächsten Dorf ein reicher Bauer. Er war ein Geizkragen und sein Herz hart wie Stein. Dieser Filz kam jeden Morgen, wenn er aufs Feld ging, mit seiner Magd, einer bettelarmen Waise, an der Föhre vorbei. Da saß die alte Frau auf den Wurzeln des Baumes und flehte um ein Almosen. Der Bauer tat immer so, als sähe und hörte er nichts. Die Magd aber blieb stehen und teilte mit der Alten ihr karges Frühstücksbrot.

Als das der Bauer schließlich merkte, schnitt er der Magd das Brot von da an immer kleiner und kleiner. Weil nun das gutherzige Ding auch das kleine Stückchen Brot noch teilte, gab er ihr zu guter Letzt gar keines mehr. Sooft nun die Magd an der Föhre vorbeikam und nichts mehr zu geben hatte, weinte sie recht bitterlich, denn sie wusste, wie weh der Hunger tut.

Da trug es sich zu, dass der Bauer zu einer Hochzeit ins Nachbardorf eingeladen wurde. Er ließ sich nicht lang bitten, tat sich bei Tisch an Speis' und Trank gütlich und freute sich, dass es ihn keinen Groschen kostete. Zur Mitternachtsstunde konnte er beim besten Willen nichts mehr essen und trinken. Da verließ er lustig und guter Dinge die Gesellschaft und schritt heimzu.

Sein Weg führte ihn an der stolzen Föhre vorbei. Als er nun in ihre Nähe kam, schien es ihm, als ob er sich verirrt hätte. Er sah nicht mehr den stolzen Baum, sondern an seiner Stelle ein feenhaft beleuchtetes Schloss. Daraus erscholl eine so seltsame Musik, wie sie der Bauer noch auf keinem Kirchtag gehört hatte. Neugierig trat er näher. Weil ihn niemand aufhielt, wackelte er keck in das Schloss hinein.

Er kam in einen wunderschönen Saal, in dem es gar lustig zuging. Festlich geschmückte Zwergenpaare drehten sich nach der seltsamen Musik im Kreise, dass es eine Lust war, ihnen zuzuschauen. Sie feierten die Hochzeit des Zwergenkönigs mit der schönen Fee. "Na", dachte der Bauer, "da komme ich gerade recht!"

Er mischte sich unter die niedliche Schar, die ihn freundlich als Gast begrüßte. Als der nächste Tanz begann, stand auf einmal die Braut vor ihm. Und er musste nun mit ihr tanzen, ob er wollte oder nicht. Sie drehte ihn aber so schnell im Kreise, dass ihm Hören und Sehen verging.

Endlich verstummte die Musik. Nun stieg aus dem Boden eine Tafel empor, auf der die köstlichsten Speisen und Getränke standen, und die Fee führte den Bauern zu Tisch und lud ihn zum Mahl ein. Er ließ sich nicht lang bitten und fing gleich ordentlich zu schmausen an. Eifrig sprach er dem Essen zu und steckte dabei noch heimlich die besten Leckerbissen in die Taschen, dass sie bald wie Mühlsäcke wegstanden.

Als das Mahl beendet war, nahm der Bauer Abschied von der Fee und den Zwergen und tappte im Finstern nach Hause. Er wollte den Seinen die stibitzten Leckerbissen noch warm und frisch übergeben, weckte sogleich Frau und Kinder, erzählte ihnen die Geschichte von der schönen Fee und dem herrlichen Schmaus und zog das Mitgebrachte hervor.

Aber pfui Teufel! Gugelhupf und Krapfen hatten sich in Pferdemist verwandelt. Der Bauer wurde von seinen Leuten weidlich ausgelacht und wäre beinahe vor Ärger zersprungen. In seiner Wut warf er den ganzen Unrat der Dienstmagd in die Schürze und rief höhnisch: "Da hast du alles, kannst es meinetwegen mit deinem Bettelweib bei der stolzen Föhre teilen!"

Die Magd ging still in den Hof hinaus, um den Unrat in die Mistgrube zu werfen. Aber schau! Auf einmal klingelte es in ihrer Schürze, und als sie hineinblickte - ei der Tausend -, da war die Schürze voll funkelnagelneuer Dukaten. Außer sich vor Freude lief die Magd sogleich zur stolzen Föhre, um den Schatz mit dem Bettelweib zu teilen. Als sie aber zum Baum kam, saß davor nicht mehr das alte Weiblein, sondern die wunderschöne Fee. Diese war von der Herzensgüte des Mädchens so gerührt, dass sie ihm nicht nur die Schürze voll Dukaten ließ, sondern dazu noch ihren ganzen Schatz an Gold und Silber schenkte.

Und es ging kaum ein Vierteljahr vorbei, als ein junger Prinz kam und das brave Mädchen als seine Frau heimführte.

Und diese alte Föhre, die man heute auch Kiefer nennt, kann man immer noch sehen. Auch wenn ich lange nicht mehr da war. Sie steht mitten im Wald, darum herum sind neue Bäume gewachsen. Sie ist eng mit unserer Geschichte verbunden. Aber wie es mit der Föhre weiter geht, erzähle ich euch ein anderes mal."
sprach die alte Frau und entließ uns.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 08 Dez 2010, 23:42


Schneeschneeschnee... schon der dritte Tag im Sturm. Wir hatten uns inzwischen an das Heulen und Klappern gewöhnt. Nur zwischendurch zuckten einige noch zusammen wenn sich wieder eine kräftige Böe gegen das Dach warf und das Gebälk laut knackte.
Recht früh mussten einige doch hinaus, da der Sturm ein Reetbündel herausgerissen hatte und der Wind gar Lustig durch die Halle pfiff.
Ich half mit die Leiter zu halten.
Dabei schien es mir, als wäre weit im Wald, verborgen hinter Schneeschleiern, immer wieder wieder für einen kurzen Moment ein Licht zu sehen, welches hoch in den Himmel strahlte. Fahlgelb war es und kaum zu entdecken. Als wenn man kurz in die Sonne schaut und dann noch lange Zeit später das Gefühl hat ihr Licht zu sehen, wenn man die Augen schließt.
Da es sonst auch niemand zu bemerken schien, darüber zu sprechen war uns bei dem Sturm unmöglich, daachte ich an die Möglichkeit, dass es wohl meine getäuschten Augen noch vom Feuer in der Halle wären. Aber die Richtung merkte ich mir wohl.
Nachdem das Dach repariert war, gingen wir das übrige Tagwerk an. Immerhin waren es nur noch zwölf Tage bis zum Julfest und da man draußen nichts schaffen konnte, wurden statt dessen zahlreiche kleine und große Schnitzereien, Strohflechtereien und so manches Möbelstück gefertigt und farblich kostbar verziert.
Es würde ein sehr buntes Julfest werden.

Iris und ich saßen zusammen mit einigen anderen in einer Ecke. Während ich mich daran machte aus einem Stück Holz etwas Pferdeähnliches zu schnitzen, ich hoffe nur, dass, sollte ein Pferd mein Machwerk jemals sehen, es mir die Beleidigung seiner Rasse verzeihen möge, sponnen die anderen Wolle und Flachs.
Ich erfuhr beiläufig, dass die alte Nana ihren Namen wohl zurecht verdiente. Selbst die Eltern ihrer Eltern hatten schon von den Geschichten der alten erzählt. Sie saß meist unbeweglich auf ihrem Platz am Feuer, nur kurzzeitig erhob sie sich. Aber wenn die Rauhnächte kamen, so verschwnd sie im Wald und blieb dort vom 24. des letzten Mondes bis zum Midwintertag, also dem 6. Tag des ersten Mondes des neuen Jahres.
Das sie kein menschliches Geschöpf war, war allen klar, aber was sie sonst sei, blieb allen verborgen. Manche sagten, sie sei eine Hexe, da sie alle Krankheiten heilen könne, andere halten sie für ein Wesen aus der Anderswelt, eine Nymphe oder Fee, welche hier in dieser Welt verblieben wäre. Andere hielten sie für eine Albin, Elbin oder Eldar oder wie diese Völker genannt werden wollen.
Man konnte wegen allem zu ihr kommen. Sie wusste immer einen Rat, oder eine Geschichte. Sie kannte alle Plätze und jedes Geschöpf. Und, darüber waren alle einig, sie beschützte dieses Dorf vor dem, was dunkel war in dieser Welt.

Über diese Geschichten war es Abend geworden, Die alte Frau räusperte sich und sprach: "Heute wollen wir zurück gehen, zum Anfang...


Die Geschichte der Welt

Wie die Welt enstanden ist und wer sie schuf, wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Denn auch wenn allerlei Volk behauptet, den Schöpfer, die Schöpferin, die Einheit aus beiden zu kennen, sind das wohl alles Träumer, denn damals war niemand und nichts da.
Aber das eine Kraft besteht, die Leben zusammenfügt, daran kann niemand zweifeln.
Zuerst waren Bäume und Wasser, Eis und Feuer, Erde und Berg, Sonne und Mond und auch die Sterne strahlten schon.
Damals traten neben den Tieren auch andere Wesen auf und vergingen. So entstanden mit den Bäumen die Dryaden, mit den Bergen entstanden Geschöpfe wie aus Stein, groß und mächtig. Mit dem Eis kamen Kreaturen, denen nur die Kälte gefällt, Im Feuer und im Wasser lebten Wesen unbekannter Größe, manche geflügelt, andere wie Schlangen, die Erde selber spie Unmögliches aller Form aus. Es kroch aus Sümpfen und Erdspalten und bald war jeder Fleck belebt.
Doch obwohl diese Wesen lange leben konnten, vergingen viele von ihnen. Dazwischen lebten Tiere groß und klein, manche verschwunden, andere bis heute, manche konnten Alt wie Bäume werden, andere erlebten nicht mal einen ganzen Mondumlauf.

So vergingen unzählige Winter und Sommer. Wälder und Steppen, Sümpfe, feurige Berge entstanden, verschwanden, kamen wieder.
Und dann erschienen die Alben in den Wäldern und die Jäger auf den Steppen.
Den Alben gefiel es durch die Wälder zu wandern, alles was lebte wurde von ihnen geschätzt, denn es war ein Teil der Welt wie sie selbst. Sie sahen sich als ebenbürtig an, immerhin wurden auch sie älter und älter. Zugleich aber durchstreiften neue Wesen die Steppen. Genau wie die Alben gingen auch sie auf zwei Beinen, aber wenn die Alben ein hohes Alter erreichen konnten, starben diese Wesen nach wenigen Jahren, wenn die Alben von dem leben konnten, was der Wald ihnen gab, mussten die anderen kämpfen und töten um zu überleben. Dort wo ein Alb durch die Sümpfe schreiten konnte, versanken viele von ihnen, dort wo ein Alb schwamm, ertranken sie zu zahlreichen und dort, wo ein Alb mit Riese, Bergwesen oder Drachen eine Einigung traf, da wurden diese erschlagen, in die Irre geführt oder verbrannt.
Diese Wesen der Steppe bedeuteten den Älteren nicht viel, waren ihre Leben doch wie die anderen Tiere nur von kurzer Dauer und nicht weiter beachtenswert. Wozu auch mit jemanden die Unterhaltung suchen, wenn man beim nächsten Besuch erfährt, dass der Gesprächspartner schon lange verstorben und die Sippe schon drei Generationen weiter ist.
Während die einen Alten die Steppenbewohner nicht beachteten, wuchs in den anderen Verachtung für diese sprechenden Tiere und sie fingen an, sich gegenüber den Steppenbewohnern wie Herren zu verhalten und die zu versklaven.
Damit sähten sie eine furchtbare Saat.
Denn immer vom Tod bedroht, versuchten diese Steppenbewohner immer schneller immer stärker zu werden. Ihr Verhalten änderte sich. Vom Kampf gegen den Tod, wurde ein Kampf mit dem Tod, bis er zu einem Kampf für den Tod wurde. Aber sie verstanden nicht, dass sie nicht mehr dem Tod, sondern einer anderen Macht dienten. Aus Neid gegen die alten Wesen wurde Hass. Und aus dem Hass wurde Gewalt. Die Steppenbewohner veränderten ihre Gestalt. Um gefährlicher zu sein, wuchsen ihnen Zähne wie Wildschweine, Löwen oder andere Raubtiere. Durch die andere Macht, der nichts am Leben liegt, verzerrten sich ihre Gesichter zu Fratzen und ihre Haut wurde lichtempfindlich.
Dann begannen sie Krieg zu führen, gegen die Alten und gegen das Leben. Manches Wesen wurde bezwungen und erschlagen. Seien es die Wesen der Erde, der Luft, des Eises, des Wassers, des Feuers, des Berges oder des Waldes. Alles jagten sie.
Aber während einige alte Wesen sich ihnen entzogen, andere sich ihnen und der Dunkelheit anschlossen und wieder andere erschlagen wurden, verstanden die Alben die Veränderung nicht.
Und so wurden sie alle von den Steppenbewohnern, den Kurzlebigen, den Mordenden gejagt, gefangen, verstümmelt und erschlagen. Es dauerte sicherlich Jahrhunderte, bis auch der letzte der Alben fiel, aber dann endlich hatten die Jäger der Steppe den letzten seiner Art eingekreist und wollten sich gerade an seinem Blut laben, als ein großer Vogel vom Himmel stürzte und diesen letzten Alben mit sich trug.

So verschwanden die Alben der Wälder für lange Zeit aus diesem Teil der Welt.
Die Steppenbewohner aber, die inzwischen von den anderen als Orks, nach ihrer primitiven Sprache, genannt wurden, führten, in Stämme unterteilt gegen sich selber Krieg. Manche die dem dunklen Schatten nicht hörig waren wurden von den anderen gejagt.
So ging es viele Jahre und Generationen.
Aber dann zog über die östlichen Berge eine neue Macht in dieses Land...

Aber davon will ich euch ein anderes mal erzählen." sprach sie. Die ganze Zeit über hatten ihre Finger über den Flammen des Feuers gespielt und aus Schatten, Lufthauch, Funkenflug und Rauch Bilder vor unseren Augen von längst vergessenen Kreaturen erscheinen lassen.

Wir waren alle noch ganz gefangen von diesen Bildern und wurden nur langsam wach. Mit energischen Bewegungen scheuchte sie uns fort in unsere Lagerstätten.

Ich träumte diese Nacht schwer. Drachen groß wie drei Schiffe, die gegen Riesen aus Eis und Stein kämpften. Irrlichter, die über den Sümpfen stehen und zweibeinige gebeugte Wesen, deren Name mir einen Schauer über den Rücken laufen ließ. Orks! Ich hatte Bilder im Kopf, wie diese Kreaturen aus Mordlust Waldalben fingen um sie zu foltern. Wie sie Trolle versklavten oder auch zu dutzenden fielen, wenn sie sich den großen Tieren der alten Welt in den Weg warfen.
Dann wiederrum sah ich die Alben. Gestalten, die einfach damit zufrieden waren, alles zu genießen. Die im Einklang waren mit der Welt. Und die brutal gejagt und ermordet wurden.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 09 Dez 2010, 17:52


Schweißgebadet erwachte ich. Das lettze Bild der Nacht war ein großer schwarzer Rabe, der mich packte, mit mir in den Himmel stieg und dann mit seinem Schnabel mein Herz zu zerhacken versuchte.

Der Sturm wütete immer noch. Er hatte zwar nicht weiter zugenommen, aber auch nicht nachgelassen.
Ich setzte mich zu Iris und den anderen. Unser Tagwerk bestand wie am Vortag aus dem Spinnen der Wolle und dem Weben von Stoffen. Das Schnitzwerk hatte ich inzwischen aufgegeben, nachdem mein Pferd doch eher einem dreibeinigen Sumpfschwein ähnelte.

Wir alle freuten uns auf die Fortsetzung der Geschichte unseres Teils der Welt, den wir heute Nordmark nennen. Endlich wurde es Abend, meine Finger schmerzten schon vom durchlaufenden Faden der Spindel und ich hätte wohl nicht länger den Faden gleichmäßig halten können, als Nana endlich anfing zu erzählen.


"Als die Orks sich selbst bekriegten und die alten Wesen sich vor dieser Macht versteckten, erschien am östlichen Wall der Berge ein Volk, dass sich von allem, was vorher hier zwischen den Bergen lebte, unterschied.
Sie trugen Häute aus Eisen und ihre Haare als Haupt und Bart lang. Während die anderen ihre eigenen Körper oder Knüppel und Stein als Waffen benutzten, waren diese ausgerüstet mit scharfen Äxten und Speeren aus Eisen. Manche von ihnen trugen eherne Schuppen wie ein Fisch oder Lindwurm, andere trieben das Metall zu ganzen Platten um ihre Körper zu bedecken.
Diese Wesen, die sich selber wohl Kharak nannten, zogen also über den Ostwall ein und begannen sofort ihr Werk. Wie Nager durchbohrten sie das Gestein der alten Berge nach noch mehr Metall um sich zu panzern. Gleichzeitig schlugen sie Holz um die gefundenen metallhaltigen Steine zu schmelzen. Was sie taten, taten sie gründlich. Zuerst stießen sie mit Steinriesen, Stollentrollen und Würmern zusammen. Jahrhunderte bekämpften sie einander, bis die Kharak die Oberhand behielten.

Dann wieder war ein geflügelter Drache, Gewoyn war sein Name, durch einen Überfall auf die Binge auf den schwarzen Berg in den Tälern im Osten, in den Besitz der Goldschätze der Kharad gekommen. Er stahl, soviel er tragen konnte und flog mit seiner Beute zu seinem Lager, welches hier im Gebirge westlich des Waldes liegt.
Die Kharad, entsetzt über diesen Überfall und den Tod so vieler ihres Volkes wollten Rache. Sie sammelten sich in Scharen und zogen durch die Täler und die Ebene vor dem Berg, der heute noch Hohe Wacht genannt wird.
Überall auf ihrem Weg bauten sie kleine Befestigungen für Nachschub und dieser sollte ihnen noch nützlich sein.

Denn die dunklen Schatten hatten den Hexern der Orks verraten, dass eine neue Macht erschienen war. Zahlreiche Orkstämme sammelten sich um sich den Eindringlingen entgegen zu werfen und so als Krieger ewigen Ruhm und weitere Geschenke ihrer dämonischen Herren zu erlangen. Also zogen die Orks aus den Ebenen hoch in den Nordosten.

Im Tal des Berges trafen die Kharak das erste mal auf die Orks. Drei Tage dauerte die Schlacht, welche die Orks knapp verloren. Aber wie ich schon sagte, dieses neue Volk war gründlich. Erschreckt über die hohen Verluste, die ihnen diese fellbehängten, primitiv bewaffneten Monster zugefügt hatten, beschlossen sie, zunächst dieses wilde Volk zu vertreiben, bevor es dem Drachen schlecht ergehen möge.

Auf dem Berg Hohe Wacht, setzten sie eine Festung, und umgingen dann die Ebenen und die Gebiete der Drachen nördlich über die Berge, bis sie endlich eine Binge gründeten, welche sie Kharak Bar'Kor nannten. Nun begannen sie ihr Kriegshandwerk von zwei Seiten gegen die Jäger der Ebene, immer darauf bedacht, den Drachen nicht zu nahe zu kommen.
Viele Schlachten wurden geschlagen und die ganze Geschichte aufzuzählen vermögen wohl nur die Geoden dieses kleinwüchsigen Volkes.
Die dunklen Schatten wiederrum sammelten ihre Truppen. Stammweise wurden die Orks den Zwergen entgegen geworfen. Und alle wurden zerschlagen. Auch viele der Zwerge wurden erschlagen und verschleppt und nicht wenige ihrer befestigten Stellungen von den wilden ungezügelten Kreaturen geschliffen.

Die alten Bewohner dieser Welt zogen sich weiter in die unerreichbaren Gebiete zurück. Während dessen hatte ein Stammeshäuptling der Orks die letzte Streitmacht zusammengezogen um mit einem mal die Hohe Wacht zu stürmen und so in die Täler vordringen zu können und Kharak Bar'Kor so vom Osten abschneiden zu können. Mit ihnen zusammen kämpften einige Riesen aus den Hügeln, Trolle und Schrate und wilde Tiere, welche von den Orks abgerichtet wurden.
Die Zwerge hörten von der Streitmacht und entschließen sich zu einem vorherigen Angriff. Während die Truppen der Hohen Wacht den Feind auf sich ziehen sollten, zogen die Zwerge Kharak Bar'Kors und der nördlichen Gebiete sich zusammen um der Belagerungsarmee in den Rücken zu fallen.
Wie geplant, gelang das Stück!
Während die wilden Kreaturen sich am Fuße des Berges sammelten und an seiner Flanke klebten um in das Innere des Berges zu gelangen, stürmten die verbliebenen Kharak die Stellungen des Feindes. So wurden die Kreaturen, wenn auch unter schrecklichen Verlusten, zu tausenden erschlagen.
Ein Flügel der Orks allerdings zog sich aus der Schlacht zurück und floh über die Haltern in den Wald. Die siegreichen Zwerge zogen hinterher und erschlugen die letzten Flüchtlinge in schwerer Schlacht auf dem Berg, der jetzt noch in unserer Zeit Turins Höh heißt, nach dem Anführer der Kharak, der dort den letzten vernichtenden Angriff führte und im letzten Schritt der siegreichen Schlacht von einem Riesen erschlagen wurde.

Nachdem so die Geschichte der Orks in der Nordmark endete, hatten die Zwerge endlich Gelegenheit für ihre endgültige Rache. Zunächst zerschlugen sie Gewoyn in seinem Hort. Dann töteten sie alles in den nördlichen Gebirgen, was nur entfernt an Echse oder Wurm erinnerte. auch Riesen, Trolle und Schrate wurden nicht verschont.
So starb nach der Vernichtung der Alben und der Orks ein weiterer Teil der alten Welt.

Zwerge in kleinen Gruppen zogen durch die Ebenen und Wälder. Geologen auf der Suche nach neuen Erzadern und Krieger, die kleine Außenposten errichteten. Aber insgesamt zog sich das Volk in die Tiefe zurück und vermied das Sonnenlicht und die Oberfläche der Welt. Nur wenn man auf den Bergen stand und ganz still war, konnte man manchmal das Scharren und Graben aus der Tiefe hören.

So ging es viele Jahrhunderte, die letzten Wesen der alten Welt getrauten sich wieder hinaus aus den dunkelsten Wäldern und hinunter von den höchsten Bergen. Die Wälder wuchsen und verschwanden, die Tiere streiften wild und in großen Herden durch diesen Teil der Welt und die Irrlichter tanzten wieder, die letzten Drachen und Riesen zogen durch die Ebenen, Nymphen tanzten, Schrate suchten sich ihre Gebiete und Trolle ihre Jagdgründe. Sie achteten nur darauf, den Vorposten des kleinen streitbaren Zwergenvolkes nicht zu Nahe zu kommen.

Dann aber. über die südlichen Berge den Herden wilder Rinder hinterherziehend, kam eine neue Rasse in die Nordmark. Sie trugen nur Felle und hatten primitive Waffen, aber mit einer Energie der Unbeugsamkeit zogen sie in die Mark.
Die Menschen erschienen...


... und dabei will ich es erst einmal belassen." endete die alte Frau.
Ich blieb noch lange am Feuer sitzen, als die anderen alle gegangen waren.
"Was hast du?" fragte mich Nana, welche die ganze Zeit schweigsam neben mir saß.
"Ich frage mich nur, wann diese ganzen Geschichten geschahen," antwortete ich, "wann geschah die Veränderung dieser Welt?"
Lange schaute sie mich an und ich dachte schon, sie wollte nicht antworten, doch endlich sagte sie: "Vor 3.300 Jahren zogen die wilden Stämme über den zugefrorenen Stirnazsee in die Nordmark. So kurz ist das Menschengeschlecht erst in der Mark."
Ich dankte ihr mit einem kurzen Nicken für diese Antwort und blieb noch ein wenig nachdenklich am Feuer sitzen, bevor ich mich auch schlafen legte.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 10 Dez 2010, 19:15


Der Sturm ließ nach und am nächsten Morgen war es uns endlich wieder möglich, zumindest die Halle zu verlassen.
Es viel zwar immer noch Schnee, aber die Gewalt des Windes hatte abgenommen.
Längst war ich in der Dorfgemeinschaft angekommen und erlebte das, dem ich eigentlich mit meinem Leben als reisender Händler entkommen wollte.

Ich schippte also Schnee, streute Stroh aus, fütterte die Rinder, besserte Sturmschäden aus, überprüfte die Einzäunungen, denn es war durchaus mit Angriffen von Wölfen zu rechnen.

Darüber verging der Tag und abends versammelten wir uns in der Halle um das Tagwerk zu beenden. Ich sag´s ehrlich heraus: Dieses Leben der einfachen Bauern war durchaus langweilig zu nennen. Wenn nicht immer wieder als Belohnung ein Lächeln oder kurzes Gespräch mit Iris möglich war, ich wäre wohl versucht gewesen ohne ausreichende Kenntnisse meinen Weg zurück in die vollen, schmutzigen Städte zu suchen. So aber blieb ich doch.
Der nächste Tag versprach immerhin interessanter zu werden. Wir wollten im Wald die Wolfsfallen prüfen und ich hatte mich, mit Blick auf meine aufgeplatzten Hände durch das Schnee schaufeln, bereit erklärt, mitzukommen.

Zur üblichen Zeit, fing die Alte wieder an zu erzählen.


Über die Ankunft der Menschen

Es war damals, als stärkster Frost den Stirnazsee zufrieren ließ, dass die ersten Menschen, auf der Suche nach jagbarem Wild die südlichen Flüße überquerten und die Nordmark erreichten.
Dies alles liegt in einer so fernen Zeit, dass damals die Menschen nicht einmal Namen von Dauer hatten und somit über die wilden Jäger nicht viel zu erzählen ist.
Das Volk unter den Bergen misstraute den Neuankömmlingen und beobachteten diese argwöhnisch. Wenn eine Gruppe Jäger zu nah an die Festungen der Zwerge kamen, wurden mit diesen genauso verfahren, wie beinahe Tausend Jahre zuvor mit den Orks.
Sie wurden eingekreist, erschlagen und erschossen. Keiner der Neuankömmlinge konnte den Zwergen etwas entgegen setzen, bestand ihre Bewaffnung doch aus Stecken und Steinen und Rüstzeug war ihnen vollkommen unbekannt.
Immer wieder versuchten sie über die Jahrhunderte hinweg kleine Siedlungen am Stirnaz zu gründen, aber eherne Dämonen, wie die Zwerge auf sie wirkten, kamen in der Nacht, brannten die Hütten nieder und vertrieben, schlimmstenfalls erschlugen die Eindringlinge. Allerdings sahen die Kharak durchaus die Gefahr, die in den Menschen lagen. Denn immer mehr dieses großen Volkes strömte über die Pässe in das Land und es war nur eine Frage der Zeit, bis es zu großen Schlachten, wie zuvor mit den Orks kommen könnte.
Daher traf sich das kleine Volk zum großen Rat in ihrer Binge Kharak Bar'Kor und verhandelten und diskutierten und stritten, was nun zu tun sei.
Dabei zeigte es sich, dass das Volk der Kharak nicht mehr so einig war, wie in den Jahrhunderten zuvor.
Während einige die vollständige Auslöschung der Fremden wünschten, sahen andere durchaus eine Möglichkeit des friedlichen Miteinanders, solange die Menschen in klar begrenzten Gebieten blieben. So wurde also lange debatiert und es wäre wohl zu einem Bürgerkrieg gekommen, wenn nicht anderes Unheil das Volk unter den Bergen getroffen hätten.
Während die Zwerge also verhandelten und die Menschen wie Wild durch die Wälder und Steppen flohen, begab es sich, dass einer der Alten auf die Menschen aufmerksam wurden. Alle hatten natürlich die Ankunft der Menschen mitbekommen und beobachteten gespannt, was nun geschehen würde, aber einer Begriff zuerst die Chance und zeigte sich einem Menschenstamm der bei hohem Schnee in größter Not geraten war und zu erfrieren drohte.
Bär und seine Kinder brachten den Menschen Fleisch und gab ihnen Wärme und Schutz.
Denn er hatte zuerst erkannt, dass einige Menschen die Sprache der Alten verstehen konnten und ihn dauerte ihr Schicksal, dass ihn so sehr an das eigene Schicksal erinnerte.
Keiner kann sagen wie und wodurch es geschah, aber Bär wurde größer und veränderte sich und die Menschen wurden stärker und drängender.
Er führte sie in den Nordwesten, in Gebiete, die jetzt zu Hohengrund gehören und er führte sie in den Südosten, an die Ufer der Greuel. Dort konnten die Menschen Siedlungen gründen und in Ruhe leben.
Ein Kharak beobachtete die Veränderung und brachte Nachricht zum Rat, Aber er war krank, eine Krankheit, die bis dahin keinen Kharak befallen hatte, wütete in seinem Körper und als er die große Halle von Kharak Bar'Kor erreichte und gerade seine Nachricht überbringen wollte, brach er tot zusammen, sein Körper mit Pusteln und Pocken bedeckt und Blut rann aus Mund, Nase, Augen und Ohren. Die Ratsmitglieder selber erkrankten an ihm und im Laufe der Seuche starb jeder zweite des kleinen Volkes.
Durch ihre hohen Verluste zogen sich die Zwerge aus ihren vorgelagerten Festungen zurück. Sie verließen angestammte Bergwerke und Paläste und gingen zurück nach Kharak Bar'Kor oder sogar über Bal Torgar im Nordosten zurück über den Ostwall in die Gestade aus denen sie vor Jahrtausenden gekommen waren.
Kharak Bar'Kor aber schloß seine Tore für viele Jahre.

Die Menschen aber vermehrten sich und nahmen immer mehr Land. Sie zogen nicht mehr den Herden hinterher um als Jäger zu leben, sondern bauten Getreide an und züchteten Vieh. So breiteten sie sich von von Nordwesten und Südosten in die Mitte des Landes aus.
Auch andere Alte versuchten bei den Menschen gehör zu finden, aber scheiterten, oder wurden nur von wenigen Schamanen der Menschen gehört. So scheiterten Wolf, Rabe, Fuchs. Nur Bär blieb bei den Menschen...

... dies soll für heute genügen. Das nächste Mal erzähle ich euch vom Metall." So schloß die Alte und mir war, als würde ich in einem Traum aus ferner Vergangenheit stecken, so wirkte ihre Gestik und ihre Stimme auf mich. Als ich in die Gesichter der anderen schaute, merkte ich, dass es mir nicht nur allein so gegangen war.
Zuletzt geändert von Tankred am 12 Dez 2010, 18:50, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 11 Dez 2010, 13:51


Der nächste Morgen brachte endlich wieder Sonne durch die Wolken zu uns hinunter.
Sobald man die Hände vor Augen sehen konnte, machten wir uns, also ich und fünf erfahrene Jäger, auf den Weg um die Fallen zu kontrollieren und mit Schlachtabfällen zu bestücken.

In mehreren Meilen Entfernung schlugen wir einen Halbkreis um das Dorf. Der Weg war beschwerlich und anstrengend, immerhin lag der Schnee hüfthoch und obwohl wir aus Weidenruten geflochtene Schneeschuhe trugen, sanken wir doch so manches mal ein. Aber immerhin waren wir erfolgreich. Vier Wölfe hatten sich in den Angeln verfangen und waren bereits verendet. mit zielsicheren Bewegungen zogen die Pelzjäger das Fell ab. wir bestückten die Fallen neu und hängten sie wieder an die Bäume.
Nachdem wir so mehrere Stunden mehr schlecht als recht durch den Schnee gestapft waren, kamen wir zum Entschluß nicht mehr die restlichen Fallen abzugehen, sondern uns wieder auf den Weg zurück zu machen.

Wir erreichten kurz vor Dämmerung Beorsing und ich begab mich erschöpft noch kurz zu Iris´Hütte, bevor ich mich wieder in den Trubel in Ulfgars Halle aussetzen wollte.
Was soll ich sagen, als ich die Hütte betrat, fand ich sie an einer Webarbeit sitzen. Sie schien überrascht, aber erfreut mich zu sehen, Wir verbrachten fröhlich plaudernd mehrere Stunden und vergaßen fast die Zeit.
Als es schon vollkommen dunkel war, machten wir uns endlich auf den kurzen Weg zu Ulfgar´s Halle.
Wir betraten die Halle gerade in dem Moment, als Nana anfing.


"Wie das Metall zu den Menschen kam

Es waren schon viele Jahrhunderte vergangen, als Bär zu den Menschen kam und die Zwerge sich zurück zogen. Inzwischen hatten die Menschen die ersten Reiche geschaffen. Einige Zwerge, die es nicht in den Norden geschafft hatten, verdienten sich ihr Überleben damit, dass sie den Menschen erklärten, wie man Silber und Gold aus dem Gestein trennt und wie man Kupfer löst. Der Handel zwischen den einzelnen Stämmen begann und es kam zu den ersten mächtigen Herrschern. Reichtum zieht aber auch Feinde an und so bauten die Menschen die ersten Zäune um ihre Höfe um sich vor raubenden Menschen zu schützen.

Als die Menschen immer geschickter wurden und die Könige den letzten Zwergen große Ehre und Reichtümer boten, zeigten diese ihnen auch, wie man aus Kupfer und Zinn Bronze schmilzt und wie man um höhere Temperaturen zu erreichen Holz zu Holzkohle backt.

Aber eines verrieten die letzten Zwerge in der Nordmark nicht, wie man gleichsam wie sie eherne Rüstungen und Waffen macht. Dieses Geheimnis zu offenbaren sollte die Aufgabe Oglins vom Ostwall sein.

Als nun die Seuche bei den Zwergen besiegt war und es einhundert Jahre lang keine Toten mehr unter ihnen durch die Krankheit gegeben hatte, da hörte man wieder Stimmen und Geräusche unter dem Berg von Kharak Bar'Kor. Die Zwerge sandten zunächst Kundschafter aus und als diese berichteten, dass aus dem Jägervolk eine Gesellschaft entstanden war, mit der es sich wohl handeln ließe, sandten sie Diplomaten und Händler aus. So wurde gegen Felle, Fleisch, Fisch, Getreide und Bier, welches den Zwergen bis dahin unbekannt war, Gemmen, kostbares Gold- und Silberwerk und auch so manche Axt aus geschmiedetem Eisen getauscht. Die Geschäfte verliefen für beide Seiten sehr gut, aber dann kam eines Tages Oglin in Kharak Bar'Kor an und berichtete, dass das Zwergenvolk, welches zurück über den Ostwall gezogen war, von einer dunklen Macht zerschlagen wurde. Sie sei die letzte derer, die vor über 800 Jahren ausgezogen waren um in die alte Heimat zu gehen.
Dort aber drohte ein dunkler Schatten, der den Geist verzerrt und dessen Schergen mit gnadenloser Wut alles angriffen, was sich nähere. Oglin sprach in der großen Halle vor den Herren unter dem Berg und teilte ihnen mit, dass sie selber nicht sicher sei, ob das dunkle Grauen ihr gefolgt sei.
So zahlreich sei der Schrecken und furchtbar, dass man nicht allein bestehen könne und daher empfehle sie, den Menschen, die wohl durchaus als Krieger geeignet seien, das Geheimnis der Gewinnung des Schmiedens von Eisen zu zeigen um so eine geringe Chance des Überlebens zu haben.
Drei Jahre berieten die alten Zwerge denn die Dringlichkeit, mit der Oglin gesprochen hatte, beunruhigte sie doch zutiefst. Boten wurden gen Osten ausgesandt um zu prüfen, was an den Geschichten wahr wäre, aber keiner kehrte zurück. Die nächsten Boten wurden nach Bal Torgar gesandt, aber sie fanden die Feste nur verlassen vor.
Die Weisen waren ratlos was zu tun sei, eine eventuelle Gefahr dadurch bezwingen, dass man den Menschen das größte Handelsgut praktisch schenkte und ihnen gleichfalls die Möglichkeit in die Hände gab, ihrerseits eine nützliche Waffe gegen die Zwerge zu besitzen.
In genau dieser Stunde trat Oglin wieder vor den Rat hin. Sie sprach nochmals an, dass man den Menschen die Kunst des Schmiedens zeigen möge und da ja Bal Torgar verlassen sei, das kleine Volk den Menschen die alten Festen und Städte öffnen und diese dort einziehen lassen solle um ein Bollwerk gegen den dunklen Feind zu haben.
Dies ging den Alten durchaus zu weit. Das Geheimnis des Eisens verraten und dann auch noch die Städte öffnen, auf das das kurzlebige rückständige Volk dort auf den Wurzel zwergischer Handwerkskunst ein verschwenderisches respektloses Leben führen könne. Was sie denn noch wolle fragten die Weisen. Kein Beweis sei gegeben für ihre Behauptungen. Nur ihre Geschichte allein sei nicht ausreichend für so einen Verrat an althergebrachter Tradition.
Da stand sie allein vor dem Rat und rief, dass sie selber Beweis sein will. Denn gegen das, was in der Ferne lauere, sei das, was ihr nunmehr geschehe ein sanftes Erlebnis.
Sie zerriß zunächst ihre Kleidung, bis sie nackt vor dem Rat stand, dann riß sie sich Haupt- und Barthaare büschelweise heraus, so das das Blut über ihren nackten Körper lief und als die Weisen des Rates sie stoppen wollte, riß sie sich mit bloßen Fingern die Haut von Kopf und Körper, dann griff sie tief in ihren Leib und zerfetzte die Muskeln ihres Busens, bis die erschreckten alten Zwerge tief durch ihre Rippen ihr heldenhaftes Herz schlagend sehen konnten.
Mit letzter Kraft flüsterte sie: „Dies alles fürchte ich nicht!“ und fiel dann nieder in den Strom ihres eigenen Blutes.
Der gewaltsame schreckliche Tod Oglins riß die Zwerge aus ihrer Erstarrung. Oglin selber wurde nach alter Tradition beim Herz des Berges aufgebarrt, bis sie selber zum klaren Edelstein werden wird.
Der Rat aber schickte sofort kundige Handwerker aus an die verschiedenen Höfe und diese zeigten den Menschen wie man Erz schmilzt und Stahl schmiedet. Gleichzeitig zeigten die Kharak den Menschen die geheimen Eingänge zu so mancher alten Festung und Stadt der Zwerge.

So kam das Eisen zu den Menschen. Es heißt auch, dass an dem Tag, an dem Oglin starb, ein neuer Stern als Bewacher des Lebens aufging. Dies ist Oglins Stern, mit dem sie über das Leben wacht, dass sie mit ihrem Opfer beschützen wollte. Daher geht ihr Stern immer als erster auf und als letzter wieder unter. Man nennt ihn Morgen- oder Abendstern, aber eigentlich sollte er Lebensstern oder Oglins Stern heißen.“

So endete Nana ihre Geschichte und wir waren sprachlos. Oglins Stern also.
Ich getraute mich zu fragen, ob denn der Schrecken gekommen wäre. Alle schauten ob dieser Frage gespannt Nana an.
Diese seufzte laut und sprach: „Das Volk der Kharak hat, genau wie die ersten Alten, ein anderes Gefühl für Zeit als die Menschen. Was für Menschen in unendlicher Ferne liegt, ist für einen Kharak noch in der Reichweite seiner Lebensspanne.
700 Jahre nach Oglins Tod, fiel der Schatten auch über uns her. Und das ist auch die Geschichte von Thar und Thorm, welche sich ihm entgegen warfen. Aber das zu erzählen ist nun zu viel. Aber wenn ihr nunmehr zum Himmel schaut, gedenkt Oglin und ihrem Opfer!“

Damit entließ sie uns.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 12 Dez 2010, 21:26


Der nächste Morgen brach heran. Ich verließ noch in annähernder Dunkelheit die Halle und trat hinaus. Der Himmel war winterlich klar. Ich betrachtete, seit langem wieder bewusst, die Sterne, Dort waren sie, die Geschichten meiner Kindheit. Der große Bär und sein Junges, die Zwillinge Thar und Thorm mit Speer und Schild, das Horn, Stier, die Ähre, das Tor und wie sie alle hießen. Aber besonders achtete ich auf den einen Stern, der hell zwischen den anderen durch die beginnende Dämmerung bereits verblassenden funkelte. Still dankte ich Oglin für ihr Opfer.

Wir zogen wieder früh los um die andere Seite des Dorfes abzugehen und die Fallen dort zu kontrollieren.
Aber dann entdeckten wir eine Spur, was soll ich sagen, eine Schneise der Verwüstung, die uns dazu brachte unsere Pläne nochmals zu überdenken. Wir waren vielleicht zwei Stunden unterwegs, als wir in einen Bereich des Waldes kamen, in welchem scheinbar kein Schnee niedergegangen war. Eine breite schneefreie Schneise zog sich vor unseren Augen im Zickzack quer zu unserem Pfad durch den Wald. Immer wieder waren Bäume in der Schneise zerschlagen, umgeknickt oder zumindest schwer beschädigt worden, indem tiefe Kerben durch ihre Rinde tief in ihr harziges Fleisch geschlagen wurden. Wir berieten kurz, was zu tun sei und kamen zu dem Entschluß, dass wir, auch gedenk der kurzen verbleibenden Sonnenstunden der Schneise in Richtung Beorsing.
Wir gingen also neben der Schneise durch den Schnee, denn die schneefreien Flächen zu betreten wagten wir nicht. Wie wir befürchtet hatten, führte uns die Spur tatsächlich bis kurz vor Beorsing. Wir konnten durch die Bäume schon die Hütten erahnen und rochen auch schon den Rauch der Feuer als mit einem Mal die schneefreie Spur verging.
Wir traten aus dem Wald heraus und fanden uns in einer Linie mit den Stallungen und Ulfgars Halle wieder.
Zu verwirrend war das Gefundene, dass wir direkt mit Ulfgar sprachen. Er betrachtete mit uns die Spur und wir beschlossen, gemeinsam morgen früh die Fährte abzugehen.

Über andere Aufgaben wurde es Abend und ich setzte mich zu Iris. Sie sprach mich auf die Spur an und ob ich etwas weiteres darüber wüsste. Ich verneinte energisch. Sie wollte mir glauben, teilte mir aber mit, dass die Fährte ganz in der Nähe der Stelle lag, an der ich bei der nächtlichen Wolfshatz im Schnee ohnmächtig gefunden worden war.

Die Stimme der Alten unterbrach unsere Unterhaltung:

"Der Flussgeist

Am großen Lieht, so sagt man, am lichten Fluß, der die Mark zerteilt und durch den großen Stirnazsee fließt kann nur übersetzen, wer dem Fährmann eine Geschichte schenkt. Der Fährmann selbst leuchtet, als ob Licht aus seinem Körper brechen würde, allein es heißt, das Licht stamme nicht von der Sonne, auch nicht von dem weißen Schnee, der bei Tauwetter in die Lieht fließt, vielmehr laufe der Fährmann stets Gefahr, Teil der Lieht zu werden.

Der lichte Fährmann sammelt all die Geschichten und abends, wenn er seinen Taglohn an Geschichten beisammen hat, holt er sie aus seinem Umhang, der wie ein Gewand eines Streuners gespickt ist mit Taschen, jede groß genug für gerade eine Geschichte. Manche sind fingerdick für Anekdoten, andere breit und behäbig und bauchig für Novellen, wieder andere flach und unscheinbar für Kurzgeschichten. Es gibt auch Taschen, die schwarz und von unendlicher, erschreckender Tiefe sind, darein steckt er die Schreckensgeschichten, und so findet jede Geschichte, die er des Tags einnimmt, eine passende Tasche.

Die Geschichten leert er abends über seinem Tisch in der Hütte aus, da purzeln sie übereinander, streiten sich, welche besser sei, giften sich an oder werben um die Aufmerksamkeit des Fährmanns, der sie versonnen betrachtet, die eine oder andere in der Hand wiegt und sich manchmal gedankenverloren am Ohr zupft. Dann öffnet er eine große Holztruhe mit rostigem Vorhängeschloss und legt eine, nur eine hinein. Die anderen Geschichten geraten in Panik, sie schreien durcheinander:

"Nein, nimm mich, ich bin besser."

"Schau her, wie schön meine Sprache glänzt."

"Geh weg, du Blender", ruft eine dunkle Gestalt dazwischen. "Ich habe Spannung, wer mich in die Hand nimmt, legt mich erst weg, wenn er das Ende erfahren hat."

So oder ähnlich schreien sie durcheinander.

Der Fährmann schließt die Truhe sorgfältig wieder ab und beachtet das Geschrei der Geschichten nicht. Er räumt die Truhe weg und geht zurück zum Tisch. Jetzt wählt er einige der unscheinbareren Geschichten aus, die nimmt er und wirft sie aus dem Fenster in die Fluten des Wassers. Was übrig bleibt, wägt er in der Hand ab, er tastet über sie, mit vorsichtigen Fingern nimmt er sie auseinander, begutachtet die Teile, denn von den Teilen hängt für ihn das ganze Leben ab. Hat er jetzt eine gefunden, die ihm in Teilen brauchbar scheint, dann legt er sie in eine Schale, die in der Mitte des Tisches steht, eine Schale, wie sie in anderen Haushalten für Obst verwendet wird. Hier, in dieser Hütte, findet ihr Geschichten darin.

Jetzt geht er nochmals die restlichen Geschichten durch, zwei, drei passende sucht er aus und legt sie zu der zerlegten in die Schale, den Rest aber nimmt er in die Hände, verlässt mit ihnen das Haus und legt sie neben den Bootssteg. Er gebietet ihnen Schweigen und sagt: "Ihr seid noch nicht reif. Morgen kommen neue Kunden. Jeder von euch sucht sich einen aus, springt ihm in die Tasche und schaut, dass er reift unter den Menschen."

Der Fährmann geht wieder in seine Hütte zurück und wartet. Nicht lange danach sitzt ihm der Flussgeist gegenüber, eine verbogene Kreatur mit langen, schwarzen Hauern, mit grausigem Buckel und schleimigen, patschigen Schwimmfüßen.

Der Flussgeist kommt jede Nacht und erinnert ihn an ihre Abmachung.

"Du Fährmann, du schworst mir, du würdest mir in den Schlick des Flusses folgen und mich nie mehr verlassen, wenn ich dir nur zehn Jahre Wohlstand und meine Tochter brächte. Die Zeit ist lang schon um, und du warst zehn Jahre reich und glücklich. Nun also, unsere Zeit ist gekommen."

"Ja", antwortet der Fährmann, "die Zeit ist um. Aber hier in der Schale habe ich noch einen Rest von der gestrigen Geschichte, bedien' dich zuerst, bitte."

Die Augen des Flussgeistes funkeln auf, und er greift gierig nach dem kleinen Geschichtenrest, den der Fährmann ihm darbietet. Der Fährmann gibt ihm dann die kleinen Geschichten, die um die zerlegte Geschichte in der Mitte liegen, er wählt sie sorgfältig aus.

Er füttert den Flussgeist mit den Teilen der zerlegten Geschichte langsam und sorgfältig, reicht ihm Stück für Stück, denn er hat seine Zeit genau kalkuliert. Wenn das erste Licht im Osten aufgeht, erschrickt der Flussgeist, springt auf und huscht zur Tür hinaus.

Der Fährmann aber hat immer einen Rest der Geschichte übrig, nur so kann er den Flussgeist in Schach halten.

Wenn aber der Nordwind schlecht gelaunt ist und die Lieht heimsucht, dann peitscht er das Wasser, bis die Wellen Schaumkronen tragen. Der Fährmann kann nicht fahren und erhält auch keine Geschichten. An solchen Tagen holt der Fährmann den Schlüssel hervor, öffnet die Truhe und füllt die Schale mit Geschichten aus seinem Vorrat auf.

Doch der Nordwind bleibt nie lange, er fährt zurück ins ewige Eis zu seinen Brüdern, mit denen er um die Wette tobt und heult. Die Wellen werden wieder klein, und so fährt er immer noch, der lichte Mann, und sammelt Geschichten...

und ein paar davon habe ich für euch weitergetragen, damit der Fährmann auch in Zukunft nicht zum alten Flußgeist muss."

Eine schöne und beruhigende Geschichte. Ich legte mich auf mein Lager und war kurz davor einzuschlafen, als es mich wie ein Schlag überkam. Die Fährte führte in die Richtung, aus der ich das Leuchten im Sturm gesehen hatte.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 13 Dez 2010, 13:28


Ich rechnete mit allem, als wir der Fährte folgten.
Schon seit vier Stunden gingen wir neben der deutlich sichtbaren Spur her. Ein wenig Schnee war in die Fährte hineingeweht, aber trotzdem war der Verlauf noch deutlich zu sehen.
Die ganze Zeit ging es tief in den Wald hinein. Immer wieder waren Bäume zerstört oder Buschwerk einfach verbrannt. Je weiter wir der Spur folgten, desto breiter wurde sie und die Zerstörung an den Pflanzen schlimmer.

Seit etwa einer halben Stunde sahen wir neben der gewohnten Zerstörung auch schwarz gebrannte Spuren auf der Erde. dort wo sie waren, war das Laub verkohlt und das Erdreich verbrannt. Immer wieder schienen die Spuren sich selber zu umkreisen. Endlich sprach einer der Jäger aus, was wir alle dachten, nämlich, dass es sich wohl um Fußspuren handeln würden, von zwei Personen, die sich bekämpft hätten.
Wir kamen an eine Stelle an einer kleinen Felswand, dort war ein Ring freigeschmolzen, sicherlich 40 Schritt im Durchmesser und hier war eine Veränderung der Richtung zu sehen. Während die Spur zunächst nach Norden führte, ging sie hier süd-westlich an der Felswand entlang.
Als wir den Ring umgingen, stellten wir fest, dass sich von Norden wohl mehrere Wesen, so zumindest sahen die tiefen Abdrücke im Schnee aus, sich dem Ringen angeschlossen hatten. Daher kam wohl die Abdrängung.

Wir gingen nunmehr derFelswand in südwestlicher Richtung entlang, der Spur weiter folgend. Nach knapp 500 Schritt zog sich die Felswand im spitzen Winkel zurück, die Spur verlief aber noch mehrere Schritte weiter in südwestlicher Richtung. Dort befand sich nunmehr wieder ein großer freigeschmolzener Kreis. Als wir ihn umgingen, stellten wir fest, dass sich eine Fährte von Süden her genähert hatte. Kurz bevor sie den Kreis erreichte, wurden die Spuren tiefer und deutlicher. Als hätte der Verursacher der Fährte Feuer gefangen, als er den Kreis betrat.

Nunmehr ging die Schneise wieder in nördliche Richtung, auf der anderen Seite der Felswand entlang. Als wir ihr weiter folgten, sahen wir, dass anscheinend eine Gestalt mit brutalster uns nicht vorstellbarer Kraft gegen den Felsen geworfen worden war. Ein tiefer Eindruck blieb im Felsen zurück, der in alle Richtungen Risse bekommen hatte. Ein schwarzer Schatten war zurück geblieben.
Wir folgten der Spur noch mehrere hundert Schritt. Sie selbst wurde breiter und die Verwüstung größer. Linker Hand sahen wir eine weitere Lücke in der Schneedecke. Als wir diese untersuchten, entdeckten wir eine freigeschmolzene Fläche in grober menschenähnlicher Gestalt, nur größer als man es von einem Menschen kennt. Genau in der Mitte der Fläche ragte der Rest eines verbrannten Baumes noch ungefähr einen Schritt hinauf. Hier schien wohl eine Gestalt aufgespießt worden zu sein.

Gerne wären wir der Spur weiter gefolgt, aber durch den niedrigen Stand der Sonne blieb uns nichts anderes üblich, als heimzukehren und beinahe wäre es schon dafür zu spät gewesen, denn als es bereits Nacht geworden war, sahen wir endlich die Lichter von Ulfgars Halle. Zerfroren traten wir ein und kamen gerade rechtzeitig um den Beginn der Geschichte zu erleben.


"Das Hirsekorn.

Tief in den Wäldern von Hohengrund lebte einst ein armer, armer Junge. Dem waren Vater und Mutter gestorben und er hatte nichts geerbt als ein winziges Hirsekorn.

Was sollte er im Heimatsdorfe machen, nachdem er seinem Mütterlein die Augen zugedrückt hatte? Er wollte sich die Welt besehen. So griff er also frisch zum Wanderstabe und steckte das Hirsekörnlein in die Tasche; denn von dem wollte er sich nicht trennen, war es doch das einzige Besitztum, das er sein eigen nannte.

Als der Knabe an einem hellen, freundlichen Sommermorgen so durch die taufrischen Wiesen wanderte, sah er auf einmal einen alten Mann vor sich stehen, der einen grauen Mantel trug und auf seine grauen Locken einen breiten Hut aufgesetzt hatte.

Der Knabe grüßte den Alten freundlich. Ebenso freundlich erwiderte dieser den Morgengruß und fragte dann: "Wo geht es denn hin in aller Frühe?" - "Auf Reisen," sagte der Knabe treuherzig, "aber ich habe mein ganzes Gut bei mir, das ist ein Hirsekorn; kann es mir nicht gestohlen werden?"

"Sei unbesorgt, liebes Kind; du wirst es zwar verlieren, aber dabei gewinnen."

So schritt denn der Knabe lustig fürbaß über Wiesen und Felder, durch Wald und Au, bis er gegen Abend zu einem Bauerngehöft kam, wo er um Nachtherberge bat. Als er schlafen ging, legte er sein Hirsekorn aufs Fensterbrett und sprach zum Wirte: "Das ist alles, was ich besitze, kann es mir nicht gestohlen werden?" - Der Wirt aber entgegnete: "Sei nur ruhig, Bürschlein, in meinem Hause wird dir kein Schaden zustoßen."

So schlief denn der Knabe bis zum Morgen. Als die Sonne ins Zimmer leuchtete, sah er gerade, wie der Hofhahn aufs Fenster sprang und das Hirsekörnlein, das in der Sonne glänzte, aufpickte.

Nun fing der Knabe zu weinen an, aber der Bauer tröstete ihn und schenkte ihm den Hahn, der das Körnlein verschluckt hatte.

"Der Hahn ist dein,
Hat er gefressen das Hirselein."

Frohgemut wanderte nun der Knabe weiter mit dem Hahn unter dem Arm, bis er des Abends wieder in ein Dorf kam und bei einem Bauern anklopfte. "Dieser Hahn ist mein ganzer Reichtum, wird er mir nicht gestohlen werden?" sagte der Knabe zum Bauern.

"Sei nur ohne Sorge, Büblein, auf meinem Hofe soll dir nichts Übles zustoßen," entgegnete der Bauer.

Aber als sich der Knabe des Morgens den Schlaf aus den Augen rieb und in den Hof hinausblickte, sah er plötzlich, wie ein feistes Schweinchen seinen Hahn beim Kragen packte und ihn zu Tode biß.

Weinend lief der Knabe zum Bauern und jammerte: "O weh, Euer Schwein hat meinen schönen Hahn zu Tode gebissen." Aber das Bäuerlein tröstete ihn und sagte:

"Nimm hin das Schwein,
Es sei nun dein,
Hat es den Hahn dir erbissen."

So band nun der Knabe dem Schweinchen einen Strick um den Fuß und wanderte wieder weiter den schönen Sommertag hindurch, bis er des Abends abermals zu einem Bauernhause kam und um Herberge für die Nacht bat.

"Mein ganzes Hab und Gut ist dieses Schweinchen," sagte er zum Bauern, "es wird mir wohl nicht gestohlen werden?"

"Sei unbekümmert, mein Söhnchen," erwiderte der Bauer, "auf meinem Hof sollst du keinen Schaden erleiden."

Als aber der Knabe spät am Morgen aufwachte, denn er hatte herrlich geschlafen, und vor das Haus hinaustrat, sah er sein Schweinchen tot vor sich liegen; die Kuh des Bauern hatte das fremde Tier mit den Hörnern zu Tode gestoßen.

Der Knabe war tiefunglücklich; doch der Bauer sagte freundlich:

"Die Kuh ist dein,
Hat sie das Schwein
Dir erstoßen."

Nun band der Knabe der munteren Kuh einen Strick um den Hals und trieb sie vor sich her mehrere Stunden lang, bis er ganz müde und matt zu einem stattlichen Edelsitz kam, vor dessen Tor gerade der reiche Gutsherr stand.

Demütig lüpfte der Knabe sein Käpplein und bat den Edelmann um Unterschlupf für diese Nacht, er sei so müde und könne nicht mehr weiter. "Diese Kuh," sagte er weiter, "ist mein ganzer Reichtum; wird sie mir nicht gestohlen werden?"

Da lachte der Gutsherr und sagte: "Sei nur ohne Sorgen, mein armer Junge; auf diesem Edelhof ist noch keinem ehrlichen Wandersmann eine Unbill widerfahren, und schon gar nicht einem armen, braven Jungen, wie du einer zu sein scheinst."
Noch nie hatte unser Büblein so weich geruht wie in dem Prunkzimmer des Edelhofs; aber, o weh, auch seine Kuh fand er am nächsten Morgen tot. Als die Pferde des Edelhofs in der Frühe zur Tränke geführt wurden, hatte ein feuriger Hengst die fremde Kuh überrannt und sie kam so unglücklich zu Fall, daß sie verendete.

Da sagte der Gutsherr zu dem weinenden Knaben:

"Nimm das Roß für die Kuh
Und den Zaum noch dazu,"

Wer war nun glücklicher als unser Junge? Er schwang sich sogleich auf das mutig wiehernde Rößlein und ritt nun in die weite Welt hinaus. Er ward ein großer Held, der sich in manchen Kriegshändeln auszeichnete und schließlich sogar die Hand einer schönen Königstochter gewann und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute."

schloß die Alte.
Wir besprachen noch kurz unsere Entdeckung mit Ulfgar und verabredeten am nächsten Tag der Kampfspur weiter zu folgen. Als wir gerade gehen wollten, sprach die Alte weiter.

"Doch als der Schatten über die Menschen kam, da tauchte eines Tages der alte Mann wieder vor dem König auf und sagte zu ihm: Nimm alle deine Männer und schlage den Feind vor deinen Toren. Die anderen Häuser werden dich unterstützen. So zog der Herr von Kreuzbrück in den Krieg und wurde erschlagen von einem Schrecken, der keinen Namen hat. Dies war der Anfang und das Ende von Haus Kreuzbrück."
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Tankred
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 14 Dez 2010, 19:36


Ich ahnte es schon als ich aufwachte, der Schnee war wieder zurück gekehrt. Geräusche von außen klangen dumpf durch und das Knirschen der Balken erschien mir gequälter.
Und tatsächlich waren über Nacht sicherlich zwei Ellen Neuschnee gefallen und fielen immer noch.
Kurz hielten wir Rücksprache und kamen zum Entschluss, dass eine weitere Suche nach der Fährte leicht ein tödliches Abenteuer werden könnte.

Was also tun? Ich ging durch den Schnee hinüber zur schönen Iris und suchte eine gute Ausrede um mit ihr den Tag zu verbringen. Die fand sich allerdings schneller als erwartet, denn gerade, als ich an ihre Tür klopfen wollte, öffnete sie selbst, bewaffnet mit Beil und Spalt um Feuerholz zu schlagen. Natürlich bot ich direkt meine Hilfe an.
Den Tag über schlugen wir Holz zu kleinen Scheiten, unterhielten uns und kümmerten uns um die anderen anfallenden Arbeiten.
Das Jûlfest rückte immer näher und so beschäftigten wir uns mit weiterer Verzierungsarbeit für die große Festhalle.

Wie immer vergaß ich in ihrer Nähe die Zeit, es war bereits dunkel geworden, das Schneetreiben hatte aufgehört und wir gingen geschwind hinüber zu Ulfgars Halle. Und ob ihr es glaubt oder nicht, kurz bevor wir eintraten, drückte sie kurz meine Hand. Meine Stimmung hätte nicht besser sein können und freudig erwartete ich die Geschichte.

"Heute kommt für euch eine Nordmarker Soldatenmähr


Die Stiefel von Büffelleder

Ein Soldat, der sich vor nichts fürchtet, kümmert sich auch um nichts. So einer hatte seinen Abschied erhalten, und da er nichts gelernt hatte und nichts verdienen konnte, so zog er umher und bat gute Leute um ein Almosen. Auf seinen Schultern hing ein alter Wettermantel, und ein Paar Reiterstiefel von Büffelleder waren ihm auch noch geblieben. Eines Tages ging er, ohne auf Weg und Steg zu achten, immer ins Feld hinein und gelangte endlich in einen Wald. Er wußte nicht, wo er war, sah aber auf einem abgehauenen Baumstamm einen Mann sitzen, der gut gekleidet war und einen grünen Jägerrock trug.
Der Soldat reichte ihm die Hand, ließ sich neben ihm auf das Gras nieder und streckte seine Beine aus. "Ich sehe, du hast feine Stiefel an, die glänzend gewichst sind," sagte er zu dem Jäger, "wenn du aber herumziehen müßtest wie ich, so würden sie nicht lange halten. Schau die meinigen an, die sind von Büffelleder und haben schon lange gedient, gehen aber durch dick und dünn." Nach einer Weile stand der Soldat auf und sprach: "Ich kann nicht länger bleiben, der Hunger treibt mich fort. Aber, Bruder Wichsstiefel, wohinaus geht der Weg?" - "Ich weiß es selber nicht", antwortete der Jäger, "ich habe mich in dem Wald verirrt." - "So geht dir's ja wie mir", sprach der Soldat, "gleich und gleich gesellt sich gern, wir wollen beieinander bleiben und den Weg suchen."
Der Jäger lächelte ein wenig, und sie gingen zusammen fort immer weiter, bis die Nacht einbrach. "Wir kommen aus dem Wald nicht heraus", sprach der Soldat, "aber ich sehe dort in der Ferne ein Licht schimmern, da wird's etwas zu essen geben." Sie fanden ein Steinhaus, klopften an die Türe, und ein altes Weib öffnete. "Wir suchen ein Nachtquartier"' sprach der Soldat, "und etwas Unterfutter für den Magen; denn der meinige ist so leer wie ein alter Tornister." - "Hier könnt ihr nicht bleiben", antwortete die Alte, "das ist ein Räuberhaus, und ihr tut am klügsten, daß ihr euch fortmacht' bevor sie heimkommen; denn finden sie euch, so seid ihr verloren." - "Es wird so schlimm nicht sein", antwortete der Soldat, "ich habe seit zwei Tagen keinen Bissen genossen, und es ist mir einerlei, ob ich hier umkomme oder im Wald vor Hunger sterbe. Ich gehe herein." Der Jäger wollte nicht folgen, aber der Soldat zog ihn am Ärmel mit sich: "Komm, Bruderherz' es wird nicht gleich an den Kragen gehen." Die Alte hatte Mitleid und sagte: "Kriecht hinter den Ofen, wenn sie etwas übrig lassen und eingeschlafen sind, so will ich's euch zustecken."
Kaum saßen sie in der Ecke, so kamen zwölf Räuber hereingestürmt' setzten sich an den Tisch, der schon gedeckt war, und forderten mit Ungestüm das Essen. Die Alte trug einen großen Braten herein, und die Räuber ließen sich's wohl schmecken. Als der Geruch von der Speise dem Soldaten in die Nase stieg, sagte er zum Jäger: "Ich halt's nicht länger aus, ich setze mich an den Tisch und esse mit." "Du bringst uns ums Leben", sprach der Jäger und hielt ihn am Arm. Aber der Soldat fing an, laut zu husten. Als die Räuber das hörten, warfen sie Messer und Gabel hin, sprangen auf und entdeckten die beiden hinter dem Ofen. "Aha' ihr Herrn", riefen sie, "sitzt ihr in der Ecke? Was wollt ihr hier? Seid ihr als Kundschafter ausgeschickt? Wartet, ihr sollt an einem dürren Ast das Fliegen lernen!" "Nur manierlich", sprach der Soldat, "mich hungert, gebt mir zu essen, hernach könnt ihr mit mir machen, was ihr wollt." Die Räuber stutzten, und der Anführer sprach: "Ich sehe, du fürchtest dich nicht, gut, Essen sollst du haben, aber hernach mußt du sterben." - "Das wird sich finden", sagte der Soldat, setzte sich an den Tisch und fing an, tapfer in den Braten einzuhauen. "Bruder Wichsstiefel' komm und iß"' rief er dem Jäger zu, "du wirst hungrig sein, so gut als ich, und einen bessern Braten kannst du zu Hause nicht haben"; aber der Jäger wollte nicht essen. Die Räuber sahen dem Soldaten mit Erstaunen zu und sagten: "Der Kerl macht keine Umstände." Hernach sprach er: "Das Essen wäre schon gut, nun schafft auch einen guten Trunk herbei." Der Anführer war in der Laune, sich das auch noch gefallen zu lassen, und rief der Alten zu:

"HoI eine Flasche aus dem Keller und zwar eine von dem besten." Der Soldat zog den Pfropfen heraus, daß es knallte, ging mit der Flasche zu dem Jäger und sprach: "Gib acht, Bruder, du sollst dein blaues Wunder sehen: jetzt will ich eine Gesundheit auf die ganze Sippschaft ausbringen." Dann schwenkte er die Flasche über den Köpfen der Räuber, rief: "Ihr sollt alle leben, aber das Maul auf und die rechte Hand in die Höhe!" und tat einen herzhaften Zug. Kaum waren die Worte heraus, so saßen sie alle bewegungslos, als wären sie von Stein, hatten das Maul offen und streckten den rechten Arm in die Höhe. Der Jäger sprach zu dem Soldaten: "Ich sehe, du kannst noch andere Kunststücke, aber nun komm und laß uns heimgehen." - "Oho, Bruderherz, das wäre zu früh abmarschiert, wir haben den Feind geschlagen und wollen erst Beute machen. Die sitzen da fest und sperren das Maul vor Verwunderung auf, sie dürfen sich aber nicht rühren, bis ich es erlaube. Komm, iß und trink!" Die Alte mußte noch eine Flasche von dem besten holen, und der Soldat stand nicht eher auf, als bis er wieder für drei Tage gegessen hatte. Endlich, als der Tag kam, sagte er: "Nun ist es Zeit, daß wir das Zelt abbrechen, und damit wir einen kurzen Marsch haben, so soll die Alte uns den nächsten Weg nach der Stadt zeigen."
Als sie dort angelangt waren, ging er zu seinen alten Kameraden und sprach: "Ich habe draußen im Wald ein Nest voll Galgenvögel aufgefunden, kommt mit, wir wollen es ausheben." Der Soldat führte sie an und sprach zu dem Jäger: "Du mußt wieder mit zurück und zusehen, wie sie flattern, wenn wir sie an den Fußen packen." Er stellte die Mannschaft rings um die Räuber herum, dann nahm er die Flasche, trank einen Schluck, schwenkte sie über ihnen her und rief: "Ihr sollt alle leben!" Augenblicklich hatten sie ihre Bewegung wieder, wurden aber niedergeworfen und an Händen und Füßen mit Stricken gebunden. Dann hieß sie der Soldat wie Säcke auf einen Wagen werfen und sagte: "Fahrt nur gleich vor das Gefängnis." Der Jäger aber nahm einen von der Mannschaft beiseite und gab ihm noch eine Bestellung mit.

"Bruder Wichsstiefel", sprach der Soldat, "wir haben den Feind glucklich überrumpelt und uns wohl genährt, jetzt wollen wir als Nachzügler in aller Ruhe hinterher marschieren." Als sie sich der Stadt näherten, so sah der Soldat, wie sich eine Menge Menschen aus dem Stadttor drängten, lautes Freudengeschrei erhuben und grüne Zweige in der Luft schwangen. Dann sah er, daß die ganze Leibwache herangezogen kam. "Was soll das heißen?" sprach er ganz verwundert zu dem Jäger. "Weißt du nicht", antwortete er, "daß der König lange Zeit aus seinem Reich entfernt war? Heute kehrt er zurück, und da gehen ihm alle entgegen." - "Aber wo ist der König?" sprach der Soldat, "ich sehe ihn nicht." -"hier ist er", antwortete der Jäger, "ich bin der König und habe meine Ankunft melden lassen." Dann öffnete er seinen Jägerrock, daß man die königlichen Kleider sehen konnte. Der Soldat erschrak, fiel auf die Knie und bat ihn um Vergebung, daß er ihn in der Unwissenheit wie seinesgleichen behandelt und ihn mit solchem Namen angeredet habe. Der König aber reichte ihm die Hand und sprach:

"Du bist ein braver Soldat und hast mir das Leben gerettet. Du sollst keine Not leiden, ich will schon für dich sorgen. Und wenn du einmal ein Stück guten Braten essen willst, so gut als in dem Räuberhaus, so komm nur in die königliche Küche. Willst du aber eine Gesundheit ausbringen' so sollst du erst bei mir Erlaubnis dazu holen."

Dies war es nun für heute. Freudig ließ ich mich auf mein Lager sinken und mir träumte ein Leben, dass nicht mehr allein bestritten werden soll.
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