Der Winter ist hart in der Nordmark...

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Tankred
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 15 Dez 2010, 11:53


Früh stand ich wieder auf. Nun, was anderes bleibt einem auch kaum übrig, wenn man in einem Haus nächtigt, welches sich auf das größte Fest des Jahres vorbereitet.

Ich wusste noch nicht so ganz, was ich hier machen sollte, also dachte ich, warum nicht bei Iris vorbei gehen und dort ein wenig herumscharwenzeln.
Als ich bei ihr ankam und mir gerade die richtigen Worte zurecht gelegt hatte, musste ich zu meinem Bedauern fest stellen, dass sie nicht allein war.

Vor ihrer Tür standen fünf in Felle gehüllte Gestalten. Otar, mein liebster Gesprächspartner, die Pelzjäger Furin und Elgin, Ulfgar und Iris, allesamt im Gespräch vertieft, selbst Olgin, ich war bass erstaunt, bemerkten mein Kommen zunächst nicht. Als ich mich aber auf fünf Schritt genähert hatte, schauten Iris und Ulfgar auf.

Ich sei ihnen willkommen und möge mich warm anziehen, denn heute gingen wir lang hinaus.
Wohin? Das sei eine Überraschung.

Eine Überraschung also, na fein, meine liebste Überraschung wäre ein heißes Getränk und die warmen Arme einer schönen Frau gewesen. Eine Wanderung, warum auch nicht, der Schnee liegt ja nur schritthoch! Worauf diese Waldbewohner immer kämen, dachte ich mir, aber ich fügte mich und machte mich bereit.

Zu sechst gingen wir los. zuerst dachte ich, wir gingen in die nördliche Richtung weiter der Spur hinterher, von dieser war übrigens nur noch schwach etwas zu sehen, aber nach kurzer Strecke bogen wir in westliche Richtung ab. Forsch schritten meine Gefährten aus und ich hatte Mühe ihnen zu folgen.
Auf meine Frage nach Weg und Ziel bekam ich nur einsilbige Antworten.
Es sei etwas besonderes, einzigartiges, ich würde schon sehen.
Na großartig! Selbst Iris schien heute unter die Fische gegangen zu sein, denn auf meine wiederholten Fragen antwortete sie nur ich solle nicht so neugierig sein und ich würde doch sonst nichts verpassen.
Nach kurzer Zeit stellte ich das Fragen ein, denn ich benötigte die Luft zum Atmen bei der Geschwindigkeit, mit der wir vorangingen. Zudem wurde der Anstieg ein wenig steiler, als würden wir uns einem Berg nähern. Allerdings war durch das dichte Gehölz nichts zu erkennen.

Der höchste Stand der Sonne war bald erreicht, als wie endlich auf eine Lichtung traten, deren Plötzlichkeit des Erscheinens mich überraschte. Gerade war ich noch über vertrocknete im Schnee verborgene Wurzeln und dornige Gebüsche gestolpert, als ich auf einmal im Freien stand.

Vor mir eröffnete sich ein erstaunliches Bild. Im großen Ring, sicherlich 300 Schritt von einer zur anderen Seite, standen vier Kiefern mit unglaublich dicken Stämmen und so unheimlich hoch, dass man den Kopf weit in den Nacken legen muss um die Wipfel zu sehen. Sie standen so eng, dass man meinte, die Stämme berühren sich beinahe, ihre Wipfel aber bogen sich voneinander weg, wie die Blätter einer Tulpe. Von der Mitte des Kreises ausgehend waren aber alle anderen Bäume gefallen. Schwarz gebrannt, verkohlt entwurzelt lagen sie vor mir. Sie schimmerten und glitzerten unter der Wintersonne. Wie ein Heer gefallener Riesen.
"Die gefallenen Bäume sehen aus wie aus Stein," flüsterte ich. "Sie sind Stein," antwortete Ulfgar, "sie sind damals zu Stein und Quarz gebrannt worden. Aber schau´ nur weiter!"
Ich hob meinen Blick und besah mir nochmals die vier Kiefern eng beieinander. Doch was musste ich erkennen, das, was ich für vier Kiefern gehalten hatte, war doch nur eine. Ein alter Baum, so groß und breit, dass ich mir gar nicht vorstellen konnte, dass es so große Bäume geben konnte. Und dieser Baum war in vier Teile gespalten, so tief, dass die vier Teile wie vier eigene Stämme aussahen.
Und jeder dieser Stammviertel trug noch immer Äste an seiner Außenseite und an diesen grüne Nadeln.
"Was ist das für ein Ort," flüsterte ich.

"Hier siehst du eines der Heiligtümer des Landes," antwortete mir Iris, neben mich tretend und meine Hand in die ihre nehmend,


"Die weitere Geschichte der stolzen Föhre

wie schon erzählt wurde, gab es auf einem Feld eine so alte und so große Föhre, dass sie von allen die stolze Föhre genannt wurde. In ihrem Stamm wohnte eine wunderschöne Fee, welche immer gern zu Streichen aufgelegt war.

Die Menschen kamen und gingen und vergingen und als der letzte Besitzer des Hofes starb, lag das Feld brach und der Wald holte sich seinen Boden wieder. In der Mitte aber stand immer noch die alte, mächtigste Föhre. Die Fee, oder Baumnymphe oder wie auch immer sich das alte Volk nennen mag, wohnte weiterhin in dem Baum. Zwischendurch ging sie durch die Welt spazieren oder durch den Baum in eine andere Welt. Denn der Baum war so alt, dass er ein Tor zu der anderen Welt ist. Man sagt, er könne sogar so alt sein, dass er einer der ersten Bäume ist. Die Jahrhunderte vergingen, der Baum lebte und wuchs und die Fee erfreute sich ihrer ewigen Jugend.

Dann aber, als der Wald wieder dicht und alt geworden war, fiel ein Schatten über das Land. Vom Osten her erfüllte sich Oglins Angst und aus dem Schatten heraus brach eine Armee unheimlicher Gesichter und verzerrter Körper über die Mark.
Bär und die anderen konnten dem Übel nicht wiederstehen. Sie zogen sich zurück und fürchteten sich vor der Dunkelheit. Feige verkrochen sich sich an Orte, die den Menschen unerreichbar sind.

Und als die Götter gingen, brach der Schatten erst richtig los.

Nichts schien den Feind des Lebens aufhalten zu können. Selbst die alten Völker reihten sich mit den Menschen in den Schlachten ein und fielen. So lag Riese neben Zwerg, neben Mensch, neben Dryade, Faun, Höhlentroll, gepanzerter Echse. Das Land selber kämpfte gegen den Feind an. Stürme und Erdbeben ließen die Menschheit sich furchtsam beugen und zu Boden fallen. Die Berge der Nordwand öffneten sich in Feuer und die Gewölbe der Kharak tief im Stein zerschmolzen und mit ihnen ihre Bewohner. Die Ströme gingen weit über die Ufer und suchten den Feind zu ertränken aber trafen auch viele der anderen Wesen, Heißer Schlamm wälzte sich die Hänge herab und traf Freund und Feind.

Manche Wesen, ob jung oder alt, ewig lebend oder früh sterbend, aber zogen es vor sich zu unterwerfen und beteten zu der Dunkelheit und dem Schatten und wurden so zu einem Teil des Schreckens.

Da kam es, dass die Menschen einen letzten Versuch begangen, die alten Götter, die Tiere, anzurufen, aber niemand erhörte sie.

Es war die Zeit gekommen, dass sich der Mensch vom Tier löst und ein Wesen seiner Art sucht für diese Welt!

Und unsere Fee saß verzweifelnd an ihrer stolzen alten Föhre und fürchtete sich vor dem Krieg in der Welt. Da zogen über der alten Föhre dunkle Wolken auf und Blitze durchzogen die Nacht und dann hörte die Fee aus der Tiefe der Föhre eine Stimme aus der anderen Welt.
"Geh! Renn!"
Und die Fee rannte weg, mehrere hundert Schritt und dann erst drehte sie sich um und sah wie sich vier Blitze vereinten und in der alten Föhre einschlugen, sie spaltete und ein Feuerball brach heraus und fällte alle Bäume rings herum und dann kam ein Sog und nahm das Feuer und das Leben aus den Bäumen und dieser Sog nahm auch einen großen Teil des unendlichen Lebens der Fee.
Sie blieb geschwächt am Rand der neuen Lichtung stehen und starrte auf die nun verteinerten Bäume.
Ein Licht brach aus der Mitte der Föhre und blendete die Fee. Als sie aber die Hände hob um ihre Augen vor dem gleißenden Licht zu schützen, da sah sie, dass ihre junge, glatte Haut der Hände zerfurcht und alt geworden war. Ledrig, braun und fleckig und wie Wachs schien ihre Haut über die Knochen gespannt zu sein, nur durchzogen von blauen Adern.

Erschreckt betrachtete die Fee ihren Körper, der alt und verdorrt geworden war. Dort, wo noch vor Minuten ein jugendlicher Körper durch den Wald rannte, war nunmehr ein altes Weib verblieben. Selbst ihr Haar hatte alle Farbe verloren und war nur noch weiß und stumpf.

Aus der gespaltenen Föhre aber stieg ein riesenhafter Mann in eherner Kleidung, einen strahlenden Speer in der Hand. Seine Augen gleißten wie Blitze als er sich umsah.

Dann legte er den Kopf in den Nacken und brüllte: "Bruder, steh mir bei!" und ein Berg stürzte ein und die Erde bebte und bald darauf trat ein weiterer riesenhafter Mann aus dem gegenüberliegenden Waldsaum, gekleidet wie der erste war er nur seine Augen waren schwarz wie tiefster Stein. Und statt einem Speer trug er einen Schild mit Zeichen darauf und der Schild schien aus schwarzem Stahl zu sein, der alles Licht verschluckte.

Die beiden drehten sich nun zu der gealterten Fee herum und sprachen: "Fürchte dich nicht, wir sind Thar und Thorm und wir sind gekommen, das Land von dem Schatten zu befreien." Daraufhin verschwanden sie im Wald.

Die Fee abergetraute sich nicht mehr zu ihrem Baum. Sie verließ diesen Teil des Waldes und suchte die Menschen auf, um ihnen von der Hoffnung der Welt zu berichten.

Dies alles geschah hier! Dies ist einer der heiligen Orte des Landes!" schloß Iris. "Und wenn du ganz still hältst, kannst du manchmal noch Stimmen aus dem Tor in der alten Kiefer hören."
Schweigend standen wir alle da und lauschten, aber was wir dann hörten, waren keine Stimmen einer anderen Welt, sondern das bedrohliche Knurren und hecheln hinter uns.
Wölfe! Wir drehten uns schnell um, aber es war nichts zu sehen.
Uns blieb keine Wahl, wir hatten nur noch knapp für drei Stunden Sonne. Solange wir im Hellen waren und zusammen blieben konnte uns nicht allzuviel passieren, aber wenn es Nacht werden sollte und wir noch im Wald waren, waren wir verloren.
Wir hetzten den Weg zurück, dabei immer unseren Spuren folgend. Von unserem Feind sahen wir nicht viel.
Zwischendurch kurz ein schneller Schatten im seitlichen Sichtfeld. Wolfspuren, mal von einem oder mehreren Tieren, die unsere Fährte kreuzten. Und immer wieder wurde die winterliche Stille des Waldes von dem nervenzerreißendem Geheule durchbrochen.
So eilten wir schnellstmöglich zurück. Die Dämmerung war schon beinahe der Nacht gewichen, als wir endlich die Lichter der Halle vor uns sahen. Vollkommen außer Atem stürzten wir die letzten Schritte auf die Halle zu. Hinter uns wurde das Hecheln lauter, die Wölfe waren fast bei uns.
Wir rannten zur Eingangstür um uns dort mit dem Rücken zur Tür, herumzuwerfen und die Speere den Bestien entgegen zu halten.
Jaulend verharrten zahlreiche leuchtende Augenpaare direkt vor uns. Vielleicht fünf Schritt entfernt. Ein tiefes Knurren kam uns entgegen. Dann trat aus der Dunkelheit eine riesige graue Wölfin heraus und kam bis auf zwei Schritt an uns heran. Sie legte die Ohren an, hob ihre Leftzen und zeigte uns ihre beachtlichen Zähne, während sie uns schwer Atmende musterte. Dann, mit einem kurzen Kläffen, warf sie sich herum und verschwand in der Dunkelheit und mit ihrem Verschwinden erloschen auch die gelblich glühenden Augen in der Dunkelheit.

Vollkommen erschöpft stolperten wir in die Halle und hörten gerade noch ein
"... und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute." und alle in der Halle schauten uns mit großen Augen an.
Wir skizzierten kurz und grob das geschehene und Ulfgar sprach noch eine Warnung vor den Wölfen aus. Ich setzte mich mit versagenden Beinen auf eine Bank zu meinen Mitwanderern und legte meinen Arm um die zitternde und kreidebleiche Iris. So schlief ich denn wohl auch ein.
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Tankred
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 16 Dez 2010, 15:48


Nach dem gestrigen Marsch sei es uns vergönnt, dass wir an diesem Tage eher ruhig verblieben. Es war draußen deutlich kälter und Schnee trieb in dicken Flocken vorbei.

Ich war auf meinem Lager erwacht, jemand hatte mich wohl dahin gelegt, denn ich selber konnte mich nicht daran erinnern. Glücklicherweise hat die Person es unterlassen, mich von meinen Kleidern zu befreien.

Den Vormittag blieb ich in der Halle und half ein wenig bei anfallenden Sachen. Dann aber ging ich hinüber zu Iris Hütte. Wir unterhielten uns den ganzen verbleibenen Tag und ich muss sagen, mir blieb wohl mein Herz an ihr hängen.

Abends gingen wir wie gewohnt zur Halle hinüber, dieses mal aber, und das glaubt wohl, gingen wir Hand in Hand. Ein wunderbares Gefühl.
Wir setzten uns zu den anderen und unterhielten uns über das Leben hier in Beorsing in ruhigen Tagen.

Die Alte fing dann auch an zu erzählen:


"Der Wunschring

Ein junger Bauer, mit dem es in der Wirtschaft nicht recht vorwärtsgehen wollte, saß auf seinem Pflug, ruhte einen Augenblick aus und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. Da kam eine alte Hexe vorbeigeschlichen und rief ihm zu: ,,Was plagst du dich und bringst's doch zu nichts? Geh zwei Tage lang geradeaus, bis du an eine große Tanne kommst, die frei im Walde steht und alle anderen Bäume überragt. Wenn du sie umschlägst, ist dein Glück gemacht."

Der Bauer ließ sich das nicht zweimal sagen, nahm sein Beil und machte sich auf den Weg. Nach zwei Tagen fand er die Tanne. Er ging sofort daran, sie zu fällen. Als sie umstürzte und mit Gewalt auf den Boden schlug, fiel aus ihrem höchsten Wipfel ein Nest mit zwei Eiern heraus. Die Eier rollten auf den Boden und zerbrachen. Und wie sie zerbrachen, kam aus dem einen Ei ein junger Adler heraus, und aus dem andern fiel ein kleiner goldener Ring. Der Adler begann sogleich zu wachsen, bis er wohl halbe Manneshöhe hatte, schüttelte die Flügel, als wollte er sie probieren, erhob sich etwas über die Erde und rief dann.

,,Du hast mich erlöst! Nimm zum Dank den Ring, der in dem andern Ei gewesen ist - es ist ein Wunschring. Wenn du ihn am Finger umdrehst und dabei einen Wunsch aussprichst, wird er alsbald in Erfüllung gehen. Aber es ist nur ein einziger Wunsch in dem Ring. lst der getan, so hat der Ring alle weitere Kraft verloren und ist nur wie ein gewöhnlicher Ring. Darum überlege dir wohl, was du dir wünscht, auf dass es dich nicht nachher gereue."

Darauf erhob sich der Adler hoch in die Luft, schwebte lange noch in großen Kreisen über dem Haupt des Bauern und schoss dann wie ein Pfeil der Sonne zu, bis er verschwand.

Der Bauer nahm den Ring, steckte ihn an den Finger und machte sich auf den Heimweg. Als es Abend war, langte er in einer Stadt an. Da stand der Goldschmied im Laden und hatte viele köstliche Ringe feil. Da zeigte ihm der Bauer seinen Ring und fragte ihn, was er wohl wert sei. ,,Einen Pappenstiel !" versetzte der Goldschmied. Da lachte der Bauer laut auf und erzählte ihm, dass es ein Wunschring sei und mehr wert als alle Ringe zusammen.

Doch der Goldschmied war ein falscher, ränkevoller Mann. Er lud den Bauern ein, über Nacht bei ihm zu bleiben, und sagte: ,,Einen Mann wie dich mit solchem Kleinod zu beherbergen, bringt Glück. Bleib bei mir !" Und er bewirtete ihn aufs schönste mit Wein und glatten Worten. Nachts zog er ihm unbemerkt den Ring vom Finger und steckte ihm statt dessen einen ganz gleichen, gewöhnlichen Ring an.

Am nächsten Morgen konnte es der Goldschmied kaum erwarten, dass der Bauer weiterzog. Er weckte ihn schon in der frühesten Morgenstunde und sprach: ,,Du hast einen weiten Weg vor dir. Es ist besser, wenn du dich früh aufmachst."

Sobald der Bauer fort war, ging er eiligst in seine Stube, schloss die Läden, damit niemand etwas sähe, riegelte dann auch noch die Tür hinter sich zu, stellte sich mitten in die Stube, drehte den Ring und rief: ,,Ich will gleich hunderttausend Taler haben !"

Kaum hatte er dies ausgesprochen, so £ing es an, Taler zu regnen, harte, blanke Taler, und die Taler schlugen ihm auf Kopf, Schultern und Arme. Er fing kläglich an zu schreien und wollte zur Tür springen. Doch ehe er sie erreichen und aufriegeln kannte, stürzte er, am ganzen Leib blutend, zu Boden. Aber das Talerregnen nahm kein Ende. Bald brach von der Last die Diele zusammen, und der Goldschmied mitsamt dem Geld stürzte in den tiefen Keller. Darauf regnete es immer weiter, bis die Hunderttausend voll waren, und zuletzt lag der Goldschmied tot im Keller und auf ihm das viele Geld.

Von dem Lärm kamen die Nachbarn herbeigeeilt, und als sie den Goldschmied tot unter dem Geld liegen fanden, sprachen sie: ,,Es ist doch ein großes Unglück, wenn der Segen knüppeldick kommt!" Darauf kamen die Erben und teilten das Geld unter sich auf.

Unterdes ging der Bauer vergnügt nach Hause und zeigte seiner Frau den Ring. ,,Nun kann es uns gar nicht fehlen, liebe Frau, sagte er, ,,unser Glück ist gemacht. Wir wollen uns nur recht überlegen, was wir uns wünschen wollen." Doch die Frau wusste gleich guten Rat. ,,Was meinst du", sagte sie ,,wenn wir uns noch etwas Acker wünschten? Wir haben gar so wenig. Da reicht so ein Zwickel gerade zwischen unsere Äcker hinein, den wollen wir uns wunschen.

,,Das wäre der Mühe wert", erwiderte der Mann. ,,Wenn wir ein Jahr lang tüchtig arbeiten und etwas Glück haben, können wir ihn uns vielleicht kaufen." Darauf arbeiteten Mann und Frau ein Jahr lang mit aller Anstrengung. Und die Ernte war noch nie so reich wie dieses Mal, sodass sie sich den Zwickel kaufen konnten und noch ein Stück Geld übrigblieb. ,,Siehst du", sagte der Mann, ,,wir haben den Zwickel, und der Wunsch ist immer noch frei."

Da meinte die Frau, es wäre wohl gut, wenn sie sich noch eine Kuh wünschten und ein Pferd dazu. ,,Frau", entgegnete abermals der Mann, indem er mit dem übriggebliebenen Geld in der Hosentasche klimperte, ,,was wollen wir wegen solch einer Lumperei unsern Wunsch vergebenl Die Kuh und das Pferd kriegen wir auch so."

Und richtig, nach abermals einem Jahr waren die Kuh und das Pferd reichlich verdient. Da rieb sich der Mann vergnügt die Hände und sagte:

,,Wieder ein Jahr den Wunsch gespart und doch alles bekommen, was man sich wünschte. Was wir für ein Glück haben !"

Doch die Frau redete ihrem Mann ernstlich zu, endlich einmal an den Wunsch zu gehen. ,,Ich kenne dich gar nicht wieder", sagte sie ärgerlich. ,,Früher hast du immer geklagt und gebarmt und dir alles mögliche gewünscht, und letzt, wo du's haben kannst, wie du's willst, plagst und schindest du dich, bist mit allem zufrieden und lässt die schönsten Jahre vergehen. König, Kaiser, Graf, ein großer, dicker Bauer könntest du sein, alle Truhen voll Geld haben - und kannst dich nicht entschließen, was du wählen willst."

,,Lass doch dein ewiges Drängen und Treiben", erwiderte der Bauer. ,,Wir sind beide noch jung, und das Leben ist lang. E i n Wunsch ist nur in dem Ring, und der ist bald vertan. Wer weiß, was uns noch einmal zustößt, wo wir den Ring brauchen. Fehlt es uns denn an etwas? Sind wir nicht, seit wir den Ring haben, schon so hinaufgekammen, dass sich alle Welt wundert? Also sei vernünftig. Du kannst dir ja mittlerweile überlegen, was wir uns wünschen könnten."

Damit hatte die Sache vorläufig ein Ende. Und es war wirklich, als wenn mit dem Ring der volle Segen ins Haus gekommen wäre, denn die Scheuern und Kammern wurden von Jahr zu Jahr voller und voller. Nach einer längeren Reihe von Jahren war aus dem kleinen, armen Bauern ein großer, dicker Bauer geworden, der den Tag über mit den Knechten schaffte und arbeitete, als wolle er die ganze Welt verdienen, nach der Vesper aber behäbig und zufrieden vor der Haustür saß und sich von den Leuten guten Abend wünschen ließ.

So verging Jahr um Jahr. Dann und wann, wenn sie ganz allein waren und niemand es hörte, erinnerte zwar die Frau ihren Mann immer noch an den Ring und machte ihm allerhand Vorschläge. Da er aber jedes Mal erwiderte, es habe noch vollauf Zeit und das Beste falle einem stets zuletzt ein, so tat sie es immer seltener, und zuletzt kam es kaum noch vor, dass auch nur von dem Ring gesprochen wurde. Zwar der Bauer selbst drehte den Ring wohl zwanzigmal am Finger um und besah ihn sich, aber er hütete sich, einen Wunsch dabei auszusprechen.

Und dreißig und vierzig Jahre vergingen, und der Bauer und seine Frau waren alt und schneeweiß geworden, der Wunsch aber war noch nicht getan. Da erwies ihnen der Tod eine Gnade und ließ sie beide in einer Nacht selig sterben.

Kinder und Kindeskinder standen um ihre beiden Särge und weinten. Als eins von ihnen den Ring abziehen und aufheben wollte, sagte der älteste Sohn: ,,Lass den Vater seinen Ring mit ins Grab nehmen. Er hat sein Lebtag seine Heimlichkeit mit ihm gehabt. Es ist wohl ein liebes Andenken. Und die Mutter besah sich den Ring auch so oft. Am Ende hat sie ihn dem Vater in ihren jungen Tagen geschenkt."

So wurde denn der alte Bauer mit dem Ring begraben, der ein Wunschring sein sollte und keiner war und doch so viel Glück ins Haus gebracht hatte, wie ein Mensch sich nur wünschen kann. Denn es ist eine eigene Sache mit dem, was richtig und was falsch ist. Und schlecht Ding in guter Hand ist immer noch sehr viel mehr wert als gut Ding in schlechter."

Dies sollte es für den heutigen Tag gewesen sein und wir gingen zu Ruh´. Lange schauten Iris und ich uns noch an, aber als auch die letzten anderen die Halle verließen, ging auch sie.

Mir träumte diese Nacht von Glücksringen und Frieden.
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Tankred
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 17 Dez 2010, 19:24


Und wieder wurden wir eingeschneit.
In der Nacht hatte es so viel Schnee gegeben, dass es uns einfach unmöglich war, am nächsten Morgen irgendwohin zu gehen.
Draußen heulte der Wind mit geisterhaften Stimmen und rüttelte an Balken und Stroh.

Aber trotz alledem hatten wir keine Zeit für Müßiggang oder gar Langeweile. Es gab genug zu tun, in nur wenigen Tagen war Wintersonnenwende und das Jûlfest und es gab noch genug vorzubereiten. Jeder bastelte eifrig an seinem Geschenk für seine Liebsten und geschäftig und verheimlichend huschten die Einwohner Beorsings an mir vorüber.

Ein Geschenk, mir fehlte ein Geschenk für Iris. Aber was konnte ich jetzt so schnell noch machen? Eine Holzschnitzerei? Ein Korbgeflecht? Eine Malerei? Also bitte, schalt ich mich selbst, mit solchen Geschenken konnte ich bei meinen handwerklichen Fähigkeiten vielleicht ein Kind beeindrucken, aber eine Frau? Wohl kaum!

Es muss etwas besonderes sein. Aber wenn es zuviel wäre? Oder zu wenig? Was wollte ich eigentlich von ihr?
Diese Fragen beschäftigten mich gut den ganzen Tag bis zur frühren Abenddämmerung und brachten mich auch nicht weiter. Abwesend ging ich der mir aufgetragenen Arbeit nach, aber eine Lösung wollte sich mir nicht aufzeigen.

Endlich, als alle versammelt waren und ich mich neben Iris setzen konnte, wurde mein Grübeln von einer Geschichte abgelenkt:


"Der Verräter des Lebens

Es war eine Zeit, in der der letzte Herr von Hohengrund auf Wunsch fremder Reiche loszog um in der Ferne Krieg zu führen. Er nahm die besten Soldaten seines Reiches mit und ließ nur wenige erfahrene Truppen an der Grenze des Ostens zurück.
Die Menschen des Landes hörten noch, dass der Feldzug vorbei sei und erwarteten die Rückkehr ihrer Liebsten, aber nachdem ein Menschenleben vergangen war, verloren sie langsam die Hoffnung.
In dieser Zeit geschah es aber, dass in einem Tal, weit im Westen ein Knabe geboren wurde, dessen Name Dagarod war. Er war von edlem Wuchs und schon früh merkten seine Eltern, dass er anders war als die anderen Kinder des Dorfes. Denn in ihm wohnte eine Macht, die allen Angst machte.
Eines Tages spielte der fünfjährige Dagarod am Ufer eines Baches. Zum Spaß leitete er das vorbeirauschende Wasser mit bloßer Willenskraft in kleine Teiche um.
Ein Nachbarsjunge nahm einen Weidenzweig und fegte das sorgfältig angesammelte Wasser wieder aus den Pfützen. "Du Dummkopf", schrie Dagarod. "Was haben dir denn die Teiche getan? Jetzt wirst auch du verdorren!"
Nach diesen Worten fiel der Junge auf der Stelle tot um und Dagarod ging frohgemut nach Hause.

Ein paar Tage später, als Dagarod durch das Dorf ging, Stieß ihn ein Kind an. Dagarod wurde wieder wütend. "Du sollst auf deinem Weg nicht weitergehen!", fauchte er und auch dieser Junge fiel hin und starb.
Die Menschen im Dorf wurden aufgebracht und wandten sich an die Eltern Dagarods, damit diese den Jungen zur Rechenschaft zögen. Doch das verärgerte Dagarod noch mehr und er machte alle blind, die sich über ihn beschwert hatten. Denn derjenige, der ihn nicht respektieren würde, solle bestraft werden.
Aber er tat auch Gutes. Als einer seiner Brüder dabei war Holz zu sammeln, biss diesen eine Natter in die Hand. Starr fiel er zu Boden, dem Tode nah. Da trat Dagarod auf ihn zu und blies auf die Wunde. Sofort hörte der Schmerz auf, das Tier zerplatzte und sein Bruder war wohlauf.

Seine Eltern, voller Angst vor Dagarods, Macht, brachten diesem zu einem alten Schamanen des Bären. Dieser nahm den Jungen auf und unterrichtete ihn in der Kraft der Natur und auch in der Selbstbeherrschung und Hilfsbereitschaft. Zwar war Bär schwach geworden über die Zeit des Schattens und der Ankunft der zwei Brüder, aber noch war seine Macht stärker als heute.
Dagarod, ein gelehriger Schüler, lernte fleißig alles, was Bär ihm durch seinen Meister beibringen konnte und wurde bald stärker und mächtiger als dieser.
Als der Meister sein Ende nahen sah, rief er Dagarod zu sich. Dieser folgte dem Ruf schnell, denn er erwartete die Position des Meisters zu empfangen, doch dieser hielt ihn nicht für würdig genug, denn Bär hatte erkannt, dass etwas Dunkles in Dagarods Seele hauste. Dagarod war darüber so erbost, dass er das Leben seines Meisters mit beenden wollte. Allein er hatte keine Klinge und keinen Stein zur Hand. Also stürzte er sich auf seinen Meister und zerriß mit seinen Zähnen dessen Kehle. Dabei fing er dessen Blut auf.
Aber als er dessen Blut trank, spürte er die Macht, die diesem innewohnte und er trank gierig jeden Tropfen.

Nach seinem Blutmahl nahm er die Rolle seines Meisters ein und scharrte junge Schamanen um sich. Er selber wollte der mächtigste von ihnen sein und ihr Lehrer. Er weihte sich selbst indem er lebenden Tieren ihre Leibesfrucht aus dem Körper schnitt und deren erstes unberührtes Blut trank. Und dabei gab er sich einen neuen Namen, dessen Ausspruch in der Sprache seines Stammes "Der neue Weg" hieß.
Sein Name war von nun an Draugar!
Mit dem Versprechen, Bär zu alter Stärke verhelfen zu wollen, brachte er andere Schamanen dazu, ihm zu folgen. Er wog sie zunächst in Sicherheit, aber mit der Zeit pervertierte er ihre Gedanken und brachte sie dazu ihm gleichsam Böses mit dem Leben zu tun.

Durch seine Macht verlangte ihm mehr Land und so begann er zunächst andere Stämme zu unterjochen, dann nahmen er und seine Truppen die ersten Städte und Festungen ein und dann die ersten Reiche.

Wie dick auch Türme und Mauern waren, seine Armee konnte sie in kurzer Zeit einnehmen. Immer erschien ein dunkler Schatten und brachte Unglück über die Besatzung der Belagerten. Sei es, dass sich das Tor nicht mehr schließen ließ, oder ein finsterer Schrecken sie mutlos werden ließ, oder das in den Brunnen statt Wasser reinstes Gift floß.

Seine Macht wuchs und wuchs und schon bald nannte man ihn König Draugar. Aber als er soweit war, sich König zu nennen, verließ ihn die letzte Menschlichkeit, denn vor seiner Gier nach Macht war niemand sicher. Allein, es fehlte ihm an Soldaten. Lange grübelte er über die Lösung seines Problems nach. Er las alte Aufzeichnungen von Priestern, folterte Irrlichter, Trolle, Faune, Dryaden und ergötzte sich an dem, was er zu verstehen suchte. Da fasste Draugar einen Plan, der ihm unaufhaltsame Macht liefern sollte.

In einem Ritual, geschehen in den rauen Tage, fing er die Mächte der Welt ein. Er zog das Leben aus allem, was seine gehorsamen Diener ihm an Opfergaben brachten. Sei es Mensch oder Tier, Riese oder Zwerg und schickte ihre Lebenskraft in die kalten Felsen. Aber es fehlte ihm noch an weiterer Seelennahrung und so schnitt er seinen eigenen Dienern ihre Herzen heraus und schickte auch ihre Lebenskraft in die Felsen. Aber weil es ihm noch nicht genug war, rief er seine Armee und schlachtete jeden Soldaten und jeden Bürger, denen er habhaft werden konnte und tränkte mit ihrem Blut den Felsen. In der letzten Stunde der letzten Nacht der rauen Nächte aber nahm er sein Messer zur Hand, trennte sich selber sein Herz aus dem Leib und opferte sich seinem eigenen Plan und schrie dabei Worte in einer Sprache, dass selbst der Himmel über ihm einen Riß zu bekommen schien.

Als sein Körper zusammenbrach, war es zunächst still auf den blutigen Felsen, aber dann mit einem Mal ertönte ein Donnern aus der Tiefe der Welt, so laut, als wollten die Berge selbst zusammenstürzen und mit einem Mal stand der zerschlitzte Körper Draugars wieder auf. Er hatte sich zu dem mächtigsten Wesen auf Erden gemacht.
Ein Wort von ihm und seine niedergeschlachteten Opfer erhoben sich. einzig mit dem Ziel ihm zu dienen.

Diese Streitmacht war nicht aufzuhalten. Ohne Furcht und Müdigkeit zogen sie los und verheerten das Land. Kein Leben sollte ihnen widerstehen und ihr Auftrag war es, Draugars Macht zu vergrößern.

Nachdem sie aber den Westen erobert hatten, erkannte Draugar, dass er zwar auf Erden der mächtigste König aller Zeiten werden könne, aber dass eine Macht in der Welt war, die er vorher vernichten müsse um unangefochten zu bleiben.

So zog er seine mordende Armee lebender Toter zusammen und hieß sie, statt weiter planlos Schrecken zu verbreiten, über die Ebene am heutigen Bruderfels vorbei in den Kessel von Barag und zur Zwergenstadt Kharak Bartor zu gehen.

Die Zwerge allerdings wussten von dem, was ihnen geschehen sollte. Sie hatten die Ströme an verzweifelten Menschen wohl beobachtet und befragt, Ihre Tore allerdings vor ihnen verschlossen. Die Menschen aber hämmerten an die Tore und flehten um Einlaß, doch die Herren unter dem Berg ließen sie nicht ein, schickten aber Späher nach außen, welche die Flüchtline über geheime und vergessene Pfade durch die roten Berge nach Ruanon führen sollten. Die Kharak waren gut vorbereitet. Sie hatten alles erfahren, was wichtig war und ihre Priester des Steins bereiteten sich auf den Kampf vor.
Eine Rotte von Zwergenkriegern sollte hinausgehen und bei Barag Ausschau halten nach dem Feind, der sich ihnen entgegen walzte, während die anderen sich auf die Abwehrschlacht vorbereiteten und andere ihres Volkes aus geheimen Bingen von den anderen Gebirgen kommen sollten.
Aber, oh weh, die stolzen Zwerge in Barag angekommen erkannten nicht, wie schlimm der Feind wirklich war! Sie wussten zwar, dass Wesen, welche tot waren auf der Seite des Angreifers standen, aber nicht, dass jeder von ihnen der fiel ebenfalls zur Armee Draugars stoßen sollte.
Die Zwerge kämpften tapfer, als sie in dunkler Nacht überfallen wurden. Ihre Gegner waren lebende Skelette, denen die Bolzen der Armbrüste nichts ausmachten und fleischige nach Verwesung stinkende Kreaturen, die zwar langsam waren, aber unaufhaltsam, bis sie ganz zerschlagen waren und Wesen, wie frische Leichname mit tiefen Wunden, welche sich so schnell bewegten wie die Lebenden fielen über die stolzen Krieger her. Sie erschlugen ihrer viele, aber immer wenn ein Zwerg fiel, kam ein Feind in undurchdringlicher Rüstung hinzu. Schlussendlich starb auch der letzte von ihnen und während er noch von den Kreaturen angenagt wurde, stand er auf, reihte sich in die Armee Draugars ein und zog gen Kharak Bartor.

In Kharak Bartor allerdings ahnte man nichts von dem Schicksal ihrer Kameraden. Als man die ehernen Schilde und Rüstungen ihrer Kameraden am Ende des Tales aufblinken sah, dachte man, sie hätten allein den Fein zerschlagen und befänden sich auf dem Rückweg. Aber wie groß war ihr entsetzen, als sie die Tore für ihre Verwandten öffneten und ihnen seelenlose Monstrositäten entgegenschlugen, welche direkt die Tore einnahmen und ihre ehemaligen Kameraden bei lebendigem Leibe fraßen.
Kaum aber waren die Tore eingenommen, zog der Heerwurm der Leichen unter Draugars Führung auf die Binge zu um das Zwergenreich endgültig zu schleifen.

Nun begann die Abwehrschlacht unter dem Berg. Wieviele lebende Tote von Axt und Hammer zerhackt wurden und wieviele tapfere Krieger dabei ihr Leben ließen um dann direkt die Reihen des Feindes zu füllen wird wohl immer ein Geheimnis bleiben. Aber es ist sicher, dass die Toten Stollen für Stollen und Halle für Halle vordrangen.
Und immer direkt hinter ihnen war Draugar, nicht mehr menschlich von Angesicht, der seinen Truppen der Perversion folgte.

Da fasste der Rat der zwergischen Geoden und Schamanen einen Plan. Stollenläufer sollten die Untoten tief in den Berg locken um Draugar abzudrängen und ihn in eine Halle zu locken, in der die Geoden auf ihn warten würden.

Ihr Plan gelang und Draugar fand sich in einer großen Halle wieder, tief im Herzen des Berges. Mit ihm war seine Leibwache gekommen. Monströse aufgequollene Kreaturen, welche aus zahlreichen einzelnen Wesen zusammengenäht zu sein schienen. Sofort wurden er und seine Kreaturen von zwergischen Kriegern angegriffen, aber während sie noch im Nahkampf mit seiner Wache waren, begann er nur krächzend zu lachen und mit einer Handbewegung schleuderte er ihrer drei so kraftvoll gegen eine der Wände, dass ihr Herz zu Schlagen aufhörte und sie noch bevor sie den Boden erreichten, zu seinen Kreaturen wurden.
DIe Zwergenkrieger sahen kaum noch Hoffnung in ihrem Tun und drohten zu verzweifeln, aber dann traten die Geoden in die Halle.
Die Luft schien zu zittern und Lichter tanzten in den Augenwinkeln. Ein Schlag, der sich anfühlte, als würden alle Eingeweide der Krieger rebellieren und gegen ihre Hülle aus Haut schlagen, ließ sie zusammensacken und einige weinten wie Kinder. Der Kampf der Geoden gegen den Verräter des Lebens hatte begonnen. Die Kreaturen des Feindes schienen zu schmelzen während den Kriegern aus allen Körperöffnungen das Blut ran und sich längst verschlossen geglaubte alte Narben, Schrammen und Verletzungen wieder öffneten. Blutüberströmt schleppten sich die Überlebenden aus der Halle und versiegelten diese.
Zwei Tage lang hörte man Donnern und Lärmen aus der Halle. In der gleichen Zeit kämpften die Zwerge ihre Stollen wieder frei, denn so manche Kreatur zerfiel einfach so, oder stand nur bewegungslos rum, während diejenigen der Zwerge, welche todbringende Verletzungen hatten, auch tot blieben.

Endlich, nachdem es schon Stunden nicht mehr aus der Halle gelärmt hatte, brachen die Krieger das Siegel der Halle und betragen diese. Aber welch ein Bild bot sich ihnen. Die Hälfte der Geoden war verstorben, sei es zu Asche verbrannt oder mit unnatürlichem Alter geschlagen und dann mühsam verreckt. Aber Draugar der Verräter war nicht zu sehen. Er war durch letzte Kraftanstrengung gebannt worden in ewigen Stein und sein Siegel soll niemals gebrochen werden. Mehr soll man nicht erfahren.

So wurde es mir erzählt und so erzähle ich es euch heute."

endete die Alte.

Gruselig, unheimlich, erschreckend... aber lange her und das Jûlfest wäre schon in wenigen Tagen und ein Geschenk für Iris nicht in Sicht. Ich hätte die Geschichte wohl schon lange vergessen, hätte ich sie nicht aufgeschrieben, denn ehrlich gesagt, hatte ich wirklich anderen Sorgen, als ich mich an diesem Abend auf mein Lager legte.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 19 Dez 2010, 02:54


Geschichte für den 18.12:

Was wollte ich eigentlich von Iris. Wollte ich Abenteuer, Reiz, Vernunft, Leben. Ich wachte geradezu gerädert auf. Keine Antwort meiner Fragen war in Sicht.

Der Schneesturm setzte uns immer noch zu und Bewegungen nach draußen wurden auf das Nötigste beschränkt. Ich wurde wieder einmal von der herrischen Frau Ulfgars zur Schmückung der Halle verurteilt und beschäftigte mich den ganzen Tag damit, die gebastelten Strohfiguren an die Balken zu hängen oder neue zu basteln.

Ehrlich, dies war wirklich ein ereignisloser Tag. Iris selber ließ sich auch erst abends blicken. Aber dafür suchte sie meine Nähe und setzte sich sofort neben mich. Wir unterhielten uns ein wenig über die Städte, welche ich gesehen hatte. Dies war recht einfach: Ruanon, die Stadt der Erze und des Fernhandels und Eschwald, eine Stadt mit stolzer Tradition. Mehr hatte ich selber nicht gesehen, aber als ich davon sprach, hatte ich das Gefühl, sie mitzunehmen und mit ihr Abenteuer zu erleben. Als die Alte wieder mit einer Geschichte anfing, kuschelte sich Iris an mich und flüsterte noch leise, wie gern sie auch einmal auf Reisen gehen würde.

"Heute kommt wieder eine Soldatenmär, die mir einst zugetragen wurde


Der Trommler

Eines Abends ging ein junger Trommler ganz allein auf dem Feld und kam an einen See im Süden. Da sah er an dem Ufer drei Stückchen weiße Leinewand liegen. "Was für feines Leinen", sprach er und steckte eins davon in die Tasche. Er ging heim, dachte nicht weiter an seinen Fund und legte sich zu Bett. Als er eben einschlafen wollte, war es ihm, als nennte jemand seinen Namen. Er horchte und vernahm eine leise Stimme, die ihm zurief: "Trommeler, Trommeler, wach auf!" Er konnte, da es finstere Nacht war, niemand sehen, aber es kam ihm vor, als schwebte eine Gestalt vor seinem Bett auf und ab. "Was willst du?" fragte er. "Gib mir mein Hemdchen zurück", antwortete die Stimme, "das du mir gestern abend am See weggenommen hast." - "Du sollst es wieder haben", sprach der Trommler, "wenn du mir sagst, wer du bist." - "Ach", erwiderte die Stimme, "ich bin die Tochter eines mächtigen Königs, aber ich bin in die Gewalt einer Hexe geraten und bin auf den Glasberg gebannt.
Jeden Tag muss ich mich mit meinen zwei Schwestern im See baden, aber ohne mein Hemdchen kann ich nicht wieder fortfliegen. Meine Schwestern haben sich fortgemacht, ich aber habe zurückbleiben müssen. Ich bitte dich, gib mir mein Hemdchen wieder." - "Sei ruhig, armes Kind", sprach der Trommler, "ich will dir's gerne zurückgeben." Er holte es aus seiner Tasche und reichte es ihr in der Dunkelheit hin. Sie erfasste es hastig und wollte damit fort. "Weile einen Augenblick," sagte er, "vielleicht kann ich dir helfen." - "Helfen kannst du mir nur, wenn du auf den Glasberg steigst und mich aus der Gewalt der Hexe befreist. Aber zu dem Glasberg kommst du nicht, und wenn du auch ganz nahe daran wärst, so kommst du nicht hin auf." - "Was ich will, das kann ich", sagte der Trommler, "ich habe Mitleid mit dir, und ich fürchte mich vor nichts. Aber ich weiß den Weg nicht, der nach dem Glasberge führt." - "Der Weg geht auf nach Osten, durch den großen Wald, in dem die Menschenfresser hausen", antwortete sie, "mehr darf ich dir nicht sagen." Darauf hörte er, wie sie fortschwirrte.

Bei Anbruch des Tags machte sich der Trommler auf, hing seine Trommel um und ging ohne Furcht geradezu in den Wald hinein. Als er ein Weilchen gegangen war und keinen Riesen erblickte, so dachte er: "Ich muss die Langschläfer aufwecken", hing die Trommel vor und schlug einen Wirbel, dass die Vögel aus den Bäumen mit Geschrei aufflogen. Nicht lange, so erhob sich auch ein Riese in die Höhe, der im Gras gelegen und geschlafen hatte, und war so groß wie eine Tanne. "Du Wicht", rief er ihm zu, "was trommelst du hier und weckst mich aus dem besten Schlaf?" - "Ich trommle", antwortete er, "weil viele Tausende hinter mir herkommen, damit sie den Weg wissen." - "Was wollen die hier in meinem Wald?" fragte der Riese. "Sie wollen dir den Garaus machen und den Wald von einem Ungetüm, wie du bist, säubern." - "Oho", sagte der Riese, "ich trete euch wie Ameisen tot." - "Meinst du, du könntest gegen sie etwas ausrichten?" sprach der Trommler, "wenn du dich bückst, um einen zu packen, so springt er fort und versteckt sich. Wie du dich aber niederlegst und schläfst, so kommen sie aus allen Gebüschen herbei und kriechen an dir hinauf. Jeder hat einen Hammer von Stahl am Gürtel stecken, damit schlagen sie dir den Schädel ein."
Der Riese ward verdrießlich und dachte: "Wenn ich mich mit dem listigen Volk befasse, so könnte es doch zu meinem Schaden ausschlagen. Wölfen und Bären drücke ich die Gurgel zusammen, aber vor den Erdwürmern kann ich mich nicht schützen." - "Hör, kleiner Kerl", sprach er, "zieh wieder ab, ich verspreche dir, dass ich dich und deine Gesellen in Zukunft in Ruhe lassen will, und hast du noch einen Wunsch, so sag's mir, ich will dir wohl etwas zu Gefallen tun. - "Du hast lange Beine", sprach der Trommler, "und kannst schneller laufen als ich; trag mich zum Glasberge, so will ich den Meinigen ein Zeichen zum Rückzug geben, und sie sollen dich diesmal in Ruhe lassen." - "Komm her, Wurm", sprach der Riese, "setz dich auf meine Schulter, ich will dich tragen wohin du verlangst."
Der Riese hob ihn hinauf, und der Trommler fing oben an, nach Herzenslust auf der Trommel zu wirbeln. Der Riese dachte: "Das wird das Zeichen sein, dass das Volk zurückgehen soll." Nach einer Weile stand ein zweiter Riese am Weg, der nahm den Trommler dem ersten ab und steckte ihn in sein Knopfloch. Der Trommler fasste den Knopf, der wie eine Schüssel groß war, hielt sich daran und schaute ganz lustig um her. Dann kamen sie zu einem dritten, der nahm ihn aus dem Knopfloch und setzte ihn auf den Rand seines Hutes; da ging der Trommler oben auf und ab und sah über die Bäume hinaus, und als er in blauer Ferne einen Berg erblickte, so dachte er: "Das ist gewiss der Glasberg", und er war es auch. Der Riese tat nur noch ein paar Schritte, so waren sie an dem Fuß des Berges angelangt, wo ihn der Riese absetzte. Der Trommler verlangte, er solle ihn auch auf die Spitze des Glasberges tragen, aber der Riese schüttelte mit dem Kopf, brummte etwas in den Bart und ging in den Wald zurück.

Nun stand der arme Trommler vor dem Berg, der so hoch war, als wenn drei Berge aufeinander gesetzt wären, und dabei so glatt wie ein Spiegel, und wusste keinen Rat, um hinaufzukommen. Er fing an zu klettern, aber vergeblich, er rutschte immer wieder herab. "Wer jetzt ein Vogel wäre", dachte er, aber was half das Wünschen, es wuchsen ihm keine Flügel. Indem er so stand und sich nicht zu helfen wusste, erblickte er nicht weit von sich zwei Männer, die heftig miteinander stritten. Er ging auf sie zu und sah, dass sie wegen eines Sattels uneins waren, der vor ihnen auf der Erde lag, und den jeder von ihnen haben wollte. "Was seid ihr für Narren", sprach er, "zankt euch um einen Sattel und habt kein Pferd dazu." - "Der Sattel ist wert, dass man darum streitet", antwortete der eine von den Männern, "wer darauf sitzt und wünscht sich irgendwohin, und wär's am Ende der Welt, der ist im Augenblick angelangt, wie er den Wunsch ausgesprochen hat. Der Sattel gehört uns gemeinschaftlich, die Reihe darauf zu reiten ist an mir, aber der andere will es nicht zulassen."
"Den Streit will ich bald austragen", sagte der Trommler, ging eine Strecke weit und steckte einen weißen Stab in die Erde. Dann kam er zurück und sprach: "Jetzt lauft nach dem Ziel, wer zuerst dort ist, der reitet zuerst." Beide setzten sich in Trab, aber kaum waren sie ein paar Schritte weg, so schwang sich der Trommler auf den Sattel, wünschte sich auf den Glasberg, und ehe man die Hand um drehte, war er dort. Auf dem Berg oben war eine Ebene, da stand ein altes steinernes Haus, und vor dem Haus lag ein großer Fischteich, dahinter aber ein finsterer Wald. Menschen und Tiere sah er nicht, es war alles still, nur der Wind raschelte in den Bäumen, und die Wolken zogen ganz nah über seinem Haupt weg. Er trat an die Türe und klopfte an. Als er zum drittenmal geklopft hatte, öffnete eine Alte mit braunem Gesicht und roten Augen die Türe. Sie hatte eine Brille auf ihrer langen Nase und sah ihn scharf an; dann fragte sie, was sein Begehren wäre. "Einlass, Kost und Nachtlager", antwortete der Trommler. "Das sollst du haben", sagte die Alte, "wenn du dafür drei Arbeiten verrichten willst." - "Warum nicht?" antwortete er, "ich scheue keine Arbeit, und wenn sie noch so schwer ist." Die Alte ließ ihn ein, gab ihm Essen und abends ein gutes Bett.
Am Morgen, als er ausgeschlafen hatte, nahm die Alte einen Fingerhut von ihrem dürren Finger, reichte ihn dem Trommler hin und sagte: "Jetzt geh an die Arbeit und schöpfe den Teich draußen mit diesem Fingerhut aus, aber ehe es Nacht wird, musst du fertig sein, und alle Fische, die in dem Wasser sind, müssen nach ihrer Art und Größe ausgesucht und nebeneinander gelegt sein. - "Das ist eine seltsame Arbeit", sagte der Trommler, ging aber zu dem Teich und fing an zu schöpfen. Er schöpfte den ganzen Morgen, aber was kann man mit einem Fingerhut bei einem großen Wasser ausrichten, und wenn man tausend Jahre schöpft? Als es Mittag war, dachte er "Es ist alles umsonst und ist einerlei, ob ich arbeite oder nicht", hielt ein und setzte sich nieder. Da kam ein Mädchen aus dem Haus gegangen, stellte ihm ein Körbchen mit Essen hin und sprach: "Du sitzest da so traurig, was fehlt dir?" Er blickte es an und sah, dass es wunderschön war. "Ach", sagte er, "ich kann die erste Arbeit nicht voll bringen, wie wird es mit den andern werden? Ich bin ausgegangen, eine Königstochter zu suchen, die hier wohnen soll, aber ich habe sie nicht gefunden; ich will weitergehen." - "Bleib hier", sagte das Mädchen, "ich will dir aus deiner Not helfen. Du bist müde, lege deinen Kopf in meinen Schoß und schlaf! Wenn du wieder aufwachst, so ist die Arbeit getan." Der Trommler ließ sich das nicht zweimal sagen. Sobald ihm die Augen zufielen, drehte sie einen Wunschring und sprach: "Wasser herauf, Fische heraus!" Alsbald stieg das Wasser wie ein weißer Nebel in die Höhe und zog mit den andern Wolken fort, und die Fische schnalzten' sprangen ans Ufer und legten sich nebeneinander, jeder nach seiner Größe und Art. Als der Trommler erwachte, sah er mit Erstaunen, dass alles vollbracht war. Aber das Mädchen sprach: "Einer von den Fischen liegt nicht bei seinesgleichen, sondern ganz allein. Wenn die Alte heute abend kommt und sieht, dass alles geschehen ist, was sie verlangt, so wird sie fragen: ,Was soll dieser Fisch allein?' Dann wirf ihr den Fisch ins Angesicht und sprich: ,Der soll für dich sein, alte Hexe'." Abends kam die Alte, und als sie die Frage getan hatte, so warf er ihr den Fisch ins Gesicht. Sie stellte sich, als merkte sie es nicht, und schwieg still, aber sie blickte ihn mit boshaften Augen an.
Am andern Morgen sprach sie: "Gestern hast du es zu leicht gehabt, ich muss dir schwerere Arbeit güben. Heute musst du den ganzen Wald umhauen, das Holz in Scheite spalten und in Klaftern legen, und am Abend muss alles fertig sein." Sie gab ihm eine Axt, einen Schläger und zwei Keile. Aber die Axt war von Blei, der Schläger und die Keile waren von Blech. Als er anfing zu hauen, so legte sich die Axt um, und Schläger und Keile drückten sich zusammen. Er wusste sich nicht zu helfen, aber mittags kam das Mädchen wieder mit dem Essen und tröstete ihn. "Lege deinen Kopf in meinen Schoß", sagte sie, "und schlaf! Wenn du auf wachst, so ist die Arbeit getan." Sie drehte ihren Wunschring, in dem Augenblick sank der ganze Wald mit Krachen zusammen, das Holz spaltete sich von selbst und legte sich in Klaftern zusammen; es war, als ob unsichtbare Riesen die Arbeit vollbrächten. Als er aufwachte, sagte das Mädchen: "Siehst du, das Holz ist geklaftert und gelegt; nur ein einziger Ast ist übrig, aber wenn die Alte heute abend kommt und fragt, was der Ast solle, so gib ihr damit einen Schlag und sprich: ,Der soll für dich sein, du Hexe'." Die Alte kam: "Siehst du", sprach sie, "wie leicht die Arbeit war, aber für wen liegt der Ast noch da?" - "Für dich, du Hexe", antwortete er und gab ihr einen Schlag damit.
Aber sie tat, als fühlte sie es nicht, lachte höhnisch und sprach: "Morgen früh sollst du alles Holz auf einen Haufen legen, es anzünden und verbrennen." Er stand mit Anbruch des Tages auf und fing an, das Holz herbeizuholen; aber wie kann ein einziger Mensch einen ganzen Wald zusammentragen? Die Arbeit rückte nicht fort. Doch das Mädchen verließ ihn nicht in der Not, es brachte ihm mittags seine Speise, und als er gegessen hatte, legte er seinen Kopf in ihren Schoß und schlief ein. Bei seinem Erwachen brannte der ganze Holzstoß in einer ungeheueren Flamme, die ihre Zungen bis in den Himmel ausstreckte. "Hör mich an", sprach das Mädchen, "wenn die Hexe kommt, wird sie dir allerlei auftragen, tust du ohne Furcht, was sie verlangt, so kann sie dir nichts anhaben, fürchtest du dich aber, so packt dich das Feuer und verzehrt dich. Zuletzt, wenn du alles getan hast, so packe sie mit beiden Händen und wirf sie mitten in die Glut." Das Mädchen ging fort, und die Alte kam herangeschlichen: "Hu! mich friert", sagte sie, "aber das ist ein Feuer, das brennt, das wärmt mir die alten Knochen, da wird mir wohl. Aber dort liegt ein Klotz' der will nicht brennen, den hol mir heraus. Hast du das noch getan, so bist du frei und kannst ziehen, wohin du willst. Nur munter hinein!" Der Trommler besann sich nicht lange, sprang mitten in die Flammen, aber sie taten ihm nichts, nicht einmal die Haare konnten sie ihm versengen. Er trug den Klotz heraus und legte ihn hin. Kaum aber hatte das Holz die Erde berührt, so verwandelte es sich, und das schöne Mädchen stand vor ihm, das ihm in der Not geholfen hatte, und an den seidenen goldglänzenden Kleidern, die es anhatte, merkte er wohl, dass es die Königstochter war. Aber die Alte lachte giftig und sprach: "Du meinst, du hättest sie, aber du hast sie noch nicht." Eben wollte sie auf das Mädchen losgehen und es fortziehen, da packte er die Alte mit beiden Händen, hob sie in die Höhe und warf sie den Flammen in den Rachen, die über ihr zusammenschlugen, als freuten sie sich, dass sie eine Hexe verzehren sollten.

Die Königstochter blickte darauf den Trommler an, und als sie sah, dass es ein schöner Jüngling war, und bedachte, dass er sein Leben daran gesetzt hatte, um sie zu erlösen, so reichte sie ihm die Hand und sprach: "Du hast alles für mich gewagt, aber ich will auch für dich alles tun. Versprichst du mir deine Treue, so sollst du mein Gemahl werden. An Reichtümern fehlt es uns nicht, wir haben genug an dem, was die Hexe hier zusammengetragen hat." Sie führte ihn in das Haus, da standen Kisten und Kasten, die mit ihren Schätzen angefüllt waren. Sie ließen Gold und Silber liegen und nahmen nur die Edelsteine. Sie wollte nicht länger auf dem Glasberg bleiben, da sprach er zu ihr: "Setze dich zu mir auf meinen Sattel, so fliegen wir hinab wie die Vögel." - "Der alte Sattel gefällt mir nicht", sagte sie, "ich brauche nur an meinem Wunschring zu drehen, so sind wir zu Haus." - "Wohlan", antwortete der Trommler, "so wünsch uns vor das Stadttor." Im Nu waren sie dort, der Trommler aber sprach: "Ich will erst zu meinen Eltern gehen und ihnen Nachricht geben. Harre mein hier auf dem Feld, ich will bald zurück sein." - "Ach", sagte die Königstochter, "ich bitte dich, nimm dich in acht, küsse deine Eltern bei deiner Ankunft nicht auf die rechte Wange; denn sonst wirst du alles vergessen, und ich bleibe hier allein und verlassen auf dem Feld zurück." - "Wie kann ich dich vergessen?" sagte er und versprach ihr in die rechte Hand, recht bald wiederzukommen. Als er in sein väterliches Haus trat, wusste niemand, wer er war, so hatte er sich verändert; denn die drei Tage, die er auf dem Glasberg zugebracht hatte, waren drei lange Jahre gewesen. Da gab er sich zu erkennen, und seine Eltern fielen ihm vor Freude um den Hals, und er war so bewegt in seinem Herzen, dass er sie auf beide Wangen küsste und an die Worte des Mädchens nicht dachte. Wie er ihnen aber den Kuss auf die rechte Wange gegeben hatte, verschwand ihm jeder Gedanke an die Königstochter.

Und hier will ich erst einmal aufhören, denn die Geschichte ist doch recht lang und ich denke, dass ich hier eure Aufmerksamkeit ausreichend geweckt habe. Und nun geht, morgen ist noch viel vorzubereiten!
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 19 Dez 2010, 02:54


Der Schneefall hatte über Nacht gänzlich aufgehört und uns die Möglichkeit eröffnet, noch ausserhalb nötige Arbeiten zu verrichten. Denn kurz nach dem Jûlfest begannen ja die rauen Tage und an nicht unbedingt nötiger Arbeit draußen war kaum zu denken.

Also waren wir heute damit beschäftigt die Dächer und Spalten der Hütten mit Stroh zu belegen, Lücken mit stinkendem, klebrigem Birkenpech zu bestreichen und morsche Bretter und Stämme auszutauschen.

Zerfroren und erschöpft kamen wir Erwachsenen Abends wieder in der Halle zusammen. Die Kinder hatten mit einigen Verbliebenen eifrig Tannenäste gebunden und Misteln gesammelt, waren aber noch nicht zum Aufhängen gekommen. Dies sollte morgen erfolgen.

Wir setzten uns alle zusammen um der Geschichte zu lauschen. Wieder hatte ich den Tag nicht mit Iris teilen können, aber als sie zur Tür hereinkam und mir ihr Lächeln schenkte um sich dann zu mir zu setzen, da war ich für alle Mühe entlohnt.


Der Trommler, zweiter Teil

Der Trommler hatte also nicht auf die Prinzessin gehört und sie daher vollkommen vergessen.
Er leerte also seine Taschen auf dem Tisch der Eltern aus und legte Händevoll der größten Edelsteine auf den Tisch. Die Eltern wussten gar nicht, was sie mit dem Reichtum anfangen sollten. Da baute der Vater ein prächtiges Schloss, von Gärten, Wäldern und Wiesen um geben, als wenn ein Fürst darin wohnen sollte. Und als es fertig war, sagte die Mutter: "Ich habe ein Mädchen für dich ausgesucht, in drei Tagen soll die Hoch zeit sein." Der Sohn war mit allem zufrieden, was die Eltern wollten. Die arme Königstochter hatte lange vor der Stadt gestanden und auf die Rück kehr des Jünglings gewartet. Als es Abend ward, sprach sie: "Gewiss hat er seine Eltern auf die rechte Wange geküsst und hat mich vergessen." Ihr Herz war voller Trauer, sie wünschte sich in ein einsames Waldhäuschen und wollte nicht wieder an den Hof ihres Vaters zurück.
Jeden Abend ging sie in die Stadt und ging an seinem Haus vorüber: Er sah sie manchmal, aber er kannte sie nicht mehr. Endlich hörte sie, wie die Leute sagten: "Morgen wird seine Hochzeit ge feiert." Da sprach sie: "Ich will versuchen, ob ich sein Herz wieder gewinne." Als der erste Hochzeitstag gefeiert ward, da drehte sie ihren Wunschring und sprach: "Ein Kleid so glänzend wie die Sonne." Alsbald lag das Kleid vor ihr und war so glänzend, als wenn es aus lauter Sonnenstrahlen gewebt wäre. Als alle Gäste sich versammelt hatten, so trat sie in den Saal. Jedermann wunderte sich über das schöne Kleid, am meisten die Braut, und da schöne Kleider ihre größte Lust waren, so ging sie zu der Fremden und fragte, ob sie es ihr verkaufen wollte. "Für Geld nicht", antwortete sie, "aber wenn ich die erste Nacht vor der Türe verweilen darf, wo der Bräutigam schläft, so will ich es hingeben." Die Braut konnte ihr Verlangen nicht bezwingen und willigte ein, aber sie mischte dem Bräutigam einen Schlaftrunk in seinen Nachtwein, wovon er in tiefen Schlaf verfiel. Als nun alles still geworden war, so kauerte sich die Königstochter vor die Türe der Schlafkammer, öffnete sie ein wenig und rief hinein:


"Trommler, Trommler, hör mich an,

Hast du mich denn ganz vergessen?

Hast du auf dem Glasberg nicht bei mir gesessen?

Habe ich vor der Hexe nicht bewahrt dein Leben?

Hast du mir auf Treue nicht die Hand gegeben?

Trommler, Trommler, hör mich an."


Aber es war vergeblich, der Trommler wachte nicht auf, und als der Morgen anbrach, musste die Königstochter unverrichteter Dinge wieder fortgehen.

Am zweiten Abend drehte sie ihren Wunschring und sprach: "Ein Kleid so silbern als der Mond." Als sie mit dem Kleid, das so zart war wie der Mond schein, bei dem Fest erschien, erregte sie wieder das Verlangen der Braut und gab es ihr für die Erlaubnis, auch die zweite Nacht vor der Türe der Schlafkammer zubringen zu dürfen. Da rief sie in nächtlicher Stille:


"Trommler, Trommler, hör mich an,

Hast du mich denn ganz vergessen?

Hast du auf dem Glasberg nicht bei mir gesessen?

Habe ich vor der Hexe nicht bewahrt dein Leben?

Hast du mir auf Treue nicht die Hand gegeben?

Trommler, Trommler, hör mich an."


Aber der Trommler, von dem Schlaftrunk betäubt, war nicht zu erwecken. Traurig ging sie den Morgen wieder zurück in ihr Waldhaus. Aber die Leute im Haus hatten die Klage des fremden Mädchens gehört und erzählten dein Bräutigam davon. Sie sagten ihm auch, dass es ihm nicht möglich gewesen wäre, etwas davon zu vernehmen, weil sie ihm einen Schlaftrunk in den Wein geschüttet hätten.

Am dritten Abend drehte die Königstochter den Wunschring und sprach: "Ein Kleid flimmernd wie Sterne." Als sie sich darin auf dem Feste zeigte, war die Braut über die Pracht des Kleides, das die andern weit übertraf, ganz außer sich und sprach: "Ich soll und muss es haben." Das Mädchen gab es, wie die andern, für die Erlaubnis, die Nacht vor der Türe des Bräutigams zuzubringen. Der Bräutigam aber, verärgert darüber, dass die Hochzeit noch nicht vollzogen wurde, ahnte etwas und trank den Wein nicht, der ihm vor dem Schlafengehen gereicht wurde, sondern goss ihn hinter das Bett. Und als alles im Haus still geworden war, so hörte er eine sanfte Stimme, die ihn anrief:


"Trommler, Trommler, hör mich an,

Hast du mich denn ganz vergessen?

Hast du auf dem Glasberg nicht bei mir gesessen?

Habe ich vor der Hexe nicht bewahrt dein Leben?

Hast du mir auf Treue nicht die Hand gegeben?

Trommler, Trommler, hör mich an."


Plötzlich kam ihm das Gedächtnis wieder. "Ach", rief er, "wie habe ich so treulos handeln können, aber der Kuss, den ich meinen Eltern in der Freude meines Herzens auf die rechte Wange gegeben habe, der ist schuld daran, der hat mich betäubt." Er sprang auf, nahm die Königstochter bei der Hand und führte sie zu dem Bett seiner Eltern. "Das ist meine rechte Braut", sprach er, "wenn ich die andere heirate, so tue ich großes Unrecht." Die Eltern, als sie hörten, wie alles sich zugetragen hatte, willigten ein. Da wurden die Lichter im Saal wieder angezündet, Pauken und Trompeten herbeigeholt, die Freunde und Verwandten eingeladen wiederzukommen, und die wahre Hochzeit ward mit großer Freude gefeiert. Die erste Braut behielt die schönen Kleider zur Entschädigung und gab sich zufrieden.

So hat es sich zugetragen, damals, vor langer Zeit."

Ich wollte Iris noch sprechen und kurz bei mir behalten, aber sie entzog sich mir lächelnd und verließ die Halle.

Wann sollte ich denn endlich die Möglichkeit haben mit ihr zu sprechen. Verärgert trabte ich noch kurz an das Feuer. Mich erwartete ein spöttischer Blick der Alten. Oder war es Mitleid? An diesem Abend war für mich sicherlich nichts mehr zu gewinnen. Verärgert schlief ich ein.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 20 Dez 2010, 01:02


Die Sonne brach durch die Wolken hervor und der Schnee glitzerte wie Sterne.
Ich befand mich, bewaffnet mit Leiter und einem kurzen Haumesser, in nächster Nähe zum Dorf auf der Suche nach Misteln.

Warum? Nun, die anwesenden Frauen hatten mich direkt bei meinem Frühstück gebeten, doch ein paar dieser kleinen Gewächse zu ernten um für das morgige Jûlfest noch mehr grüne Zierde zu haben. Und die anderen waren alle beschäftigt, sei es mit Jagd, Reparatur oder auch dem Kochen für morgen.
Derlei vorgetragene höfliche Bitten konnte ein wahrer Mann, der sein Herz am rechten Fleck hat, natürlich nicht widerstehen. Also stapfte ich jetzt schon seit einer Stunde durch kniehohen Schnee, immer in Sichtweite Beorsings und suchte ein paar niedriger wachsende Exemplare dieser Pflanze.
Ich hatte gerade mühsam einen Baum erklommen und ein paar traurige Mistelzweige abgeerntet, da sah ich vor mir, nur 20 Schritt weiter in den Wald hinein eine mächtige Eiche stehen und dort in einer Astgabelung, nur 4 Schritt über dem Boden wuchs ein riesiger Strauch Misteln. Wenn ich diese holen würde, dann würde ich wohl schnell wieder in die Halle können um mich aufzuwärmen.
Ich kletterte also wieder geschwind herunter, orientierte mich kurz, blickte noch schnell zurück um zu prüfen, wie tief ich in den Wald müsste und ging dann auf die große Eiche zu.
Von unten war die Mistel durch die dicken Äste nicht zu sehen. Also legte ich die Leiter an und stieg hinauf.
Oben angekommen, machte ich mich gerade zur Ernte bereit, da war mir, als würde ich eine leise helle Stimme hören.
Was ich denn da machen würde und das ich das lassen solle.
Verwirrt hielt ich kurz inne. Phantome dachte ich bei mir und holte gerade aus, als mit einem mal direkt vor meinem Auge zwei kleine Gesichter auftauchten.

"Hey!" piepste es.
Ich viel direkt rückwärts von der Leiter. Und wäre der Schnee nicht so hoch, ich hätte mir sicherlich den Hals gebrochen. So presste der Aufschlag nur die gesamte Luft aus meinen Lungen.
"Ist er tot?" "Gehts ihm gut?" "Sollen wir mal nachschauen?"
Es erschien mir vollkommen klar, ich muss verdreht geworden sein, Einem Nachbarn meiner Eltern ging es ähnlich, er hatte...
"Hallo!"
Ich hielt kurz inne. Dieses hohe Piepsen konnte nicht aus meinem Kopf kommen, so eine Tonhöhe kann sich kein menschliches Gehirn ausdenken.
"Da, er zuckt!" "Ich sag´ doch er lebt!" "Lasst uns verschwinden!" "Warte!" "Du kommst jetzt mit!" "Nein!"
Ich öffnete die Augen und direkt vor mir befanden sich zwei kleine Wesen, flatternd in der Luft. Sie hatten große Köpfe, wie ein Säugling, mit tiefschwarzen Augen. Aus ihren Köpfchen wuchs über den spitzen Öhrchen feines Wurzelgeflecht hervor. Der Kopf trohnte mit einem schmalen Hals auf einem dürren Leib. Aber sie hatten dicke Bäuche, die leicht pulsierend grün und blau leuchteten. Sie flatterten mit kleinen Flügelchen, welche rot waren und von der Form an Maikäfer erinnerten, vor meiner Nase her. Ihre Haut war ein helles braun, welches an die Rinde eines Baumes erinnerte.
"Was hattest du denn gerade vor?" "Ja genau, was eigentlich?" piepsten sie mich an.
Ich schüttelte kurz den Kopf um wieder klare Gedanken zu bekommen. Bei meiner Bewegung flirrten sie kurz ein Stück zurück um dann wieder näher zu kommen.

"Ich wollte eigentlich Misteln sammeln," sagte ich, während ich mich stöhnend aufrappelte.
"Misteln?" "Er will Misteln sammeln?" "Hat man sowas schon mal gehört?" "Phü!" piepsten sie durcheinander und zu mir gewandt: "Hey, das ist unsere Bleibe, von der du hier sprichst." "Genau!" "Die wird nicht gesammelt!" "Genau!"
Mir wurde es echt zu toll, als hätte ich die letzten Wochen nicht genug in diesem verwunschenen Bärenwald erlebt, setzten diese kleinen Gesellen mein Nervenkostüm endgültig auf die Probe. Ich klopfte mir also den Schnee ab und wandte mich zum Gehen. "Gut," sagte ich, "dann suche ich mir halt eine andere Mistel"
"Moooooooooment!" piepste die eine Stimme. "Ja, warte!" sprach die andere.
"Du willst uns einfach so verlassen?" "Und unser Häusschen in Ruhe lassen?" "Wir haben dir doch noch gar keinen Wunsch erfüllt dafür!" "Richtig!"
Ich drehte mich wieder um. "Ihr könnt Wünsche erfüllen?" Die beiden flatterten wild durcheinander. "Nun ja," piepste der eine mit dem blauleuchtenden Bäuchlein, "es gehört sich ja eigentlich, wenn einem Waldgeist ein Gefallen getan wird." "Wir sind nämlich mächtige Waldgeister!" unterbrach ihn der andere mit dem grünen Bäuchlein. "Und da du uns einen Gefallen getan hast, könnten wir ja was für dich tun," fuhr der mit dem blauen Bauch fort, "Aber wie heißt du eigentlich?"
"Ich bin Ingbert, Sohn des Gerion aus Ruanon," sprach ich, "und mit wem habe ich die Ehre?"
"Das können wir dir nicht sagen." "Genau." "Wer unsere Namen kennt, kann uns auch verzaubern." "Ja, genau!" "Wünsche erfüllen und so!" "Richtig!" "Ausserdem sind unsere Namen so winzigklein und schnell in der Gnomensprache, dass du die gar nicht verstehen würdest." "Richtig!"
"Dann nenne ich euch beide Blauling und Grünling."
"Was?" "Frechheit!" "Und das, bei dem, was wir alles für dich getan haben!" "Genau!" "Unverschämtheit!" "Genau!" wild durcheinanderpiepsend schwirrten die beiden aufgeregt vor mir her.
"Moment, wie soll ich euch denn sonst nennen?"
"Nicht so!" "Genau!"
"Und haltet nochmal kurz ein," sprach ich, doch langsam amüsiert über die beiden posierlichen Kerlchen, weiter, " erstens habt ihr noch gar nichts für mich gemacht, zweitens sagtet ihr doch, ihr seid mächtige Waldgeister und keine Gnome und drittens botet ihr mir die Erfüllung eines Wunsches an, ich brauche euch also gar nicht zu verhexen und kann daher doch eure Namen wissen."
"Nun," sprach der mit dem blauen Bauch, "vielleicht waren wir nicht ganz ehrlich zu dir. Wir sind schon Waldgeister, aber nicht ganz so mächtig..." "Ja, eigentlich können wir auch nicht jeden Wunsch erfüllen." sprach der mit dem grünen Bauch weiter, "nur manche." "Nun, eigentlich nur wenige!" "Aber die sind auch gut." "Ja!"
"Nun denn, welchen Wunsch könnt ihr mir denn erfüllen?"
"Wir sind tolle Ratgeber!" "Jawohl!" "Erzähl uns deine Sorgen und wir können dir mit gutem Rat weitergeben!" "Wir sind die besten Ratgeber des Waldes!" "Genau!" "Also erzähl uns eine Geschichte..." "Ja, eine Geschichte!" "... aus deinem Leben und wir geben dir Rat!" "Es kann auch schon ruhig eine Liebesgeschichte sein." "Ja, genau!" "Ja!" "Ja!"
Beide schauten mich mit großen Augen an und schwebten jetzt ruhig vor mir!
"Und warum soll ich euch eine Geschichte aus meinem Leben erzählen, wenn ich doch noch nicht mal weiß, mit wem ich rede?" fragte ich nunmehr.
"Ich will Blauling heißen," fiepste der mit dem blauen Bauch.
"Ich will Grünlingheißen," fiepste der mit dem grünen Bauch.
"Also jetzt doch?"
"Es beschreibt uns eigentlich ganz gut." "Ja, genau!"
"Und was seid ihr jetzt wirklich? Waldgeister, Gnome, Gespenster des Waldes?"
"In deiner Sprache nennt man uns wohl Irrlichter." "Elmsfeuer!" "Totenlichter!" "Irrwische!" "Dwaallichter!" "Spuklichter!" "Belassen wir es bei Irrwischen!" "Ja genau!" plapperten sie wild durcheinander.
"Und ihr lieben Irrwische, wo soll ich euch denn meine Geschichte erzählen? Ich kann mich doch nicht einfach in den Schnee hocken."
"Da sei unbesorgt," sprach Grünling wärend Blauling eifrig nickte. Beide schüttelten die Händchen und mit einem mal schmolz der Schnee auf einem Schritt breite und einem Schritt länge am Fuße der alten Eiche, aus der braunen Erde wuchs dichtes Gras und zahlreiche Blümchen.
Auf ihre einladende Handbewegungen setzte ich mich gehorsam dort mit angewinkelten Knien nieder. Die beiden Irrwische landeten auf meinen Knieen. Jeder von ihnen zog eine kleine Pfeife hervor, stopfte diese und fing gemütlich an zu qualmen. Als blauer Dunst aufstieg, schauten mich beide erwartungsvoll an.

"Dann erzähl mal!" "Ja genau!"
Ich erzählte ihnen also von meinem Leben. Wie ich in Ruanon groß wurde und bei meinem Vater das Kaufmannshandwerk erlernte, die schlechten Geschäfte, wie ich nach Beorsing kam, was ich hier alles erlebte und meine Gefühle für die schöne Iris und was ich mir davon erhoffen würde.
Gespannt und still hörten mir Blauling und Grünling zu, nur zwischendurch schmatzten sie leise, wenn sie an ihrer Pfeife zogen.
Als ich geendet hatte, waren sicherlich 4 Stunden vergangen und der Himmel wurde wieder dunkler.
Die beiden schauten mich lange an.

"Eine schöne Geschichte!" "Ja wirklich!" "Sehr schön!" "Und so romantisch!" "Armer Händler trifft durch Zufall die Liebe seines Lebens!" "Ein Klassiker!" "Ja!" "Ja!" "Kein Wunder, dass die Alte dich so lange im Dorf lässt!" "Ja!"
"Wie bitte?"
Erschreckt schlugen die beiden Irrwische die Händchen vor ihre Münder. "Nichts!" "Ja, nichts!" "Pass auf, wir geben dir einen Rat..." "Ja genau!" "Schenk ihr etwas, was dir lieb und teuer ist!" "Ja!" "Alt!" "Wertvoll!" "Frauen lieben sowas!" "Sie sind ganz verrückt danach!" "Und dann führ sie nach Hause!" "Oder sonst wohin." "Und dann seid einfach glücklich!" "Genau!" "Und wenn ihr nicht gestorben seid, dann lebt ihr noch lange weiter!" "So enden gute Geschichten immer!" "Jawohl!"
Die beiden schwirrten von meinen Knieen auf. "Wir danken dir für deine Geschichte!" "Und geben dir noch was mit!"
Und mit einem mal fiel eine große Mistel von dem Baum genau vor meine Füße.
"Und nun geh zurück!" "Sie suchen dich sicherlich schon!" "Und vergiß das Geschenk nicht!" "Ja!" "Wir danken dir Ingbert, Sohn des Gerion aus Ruanon, pass gut auf dich auf!" "Und vielleicht sehen wir uns ja mal wieder!" "Wäre schön!" "Wiedersehen!" "Lebe wohl!" Mit diesen Worten schwirrten sie nach oben ihn die Baumkrone und ließen mich zurück. Die Gräser und Blüten verdorrten und ich machte mich schleunigst mit Leiter und Mistel auf nach Beorsing.

Als ich die Tür öffnete, schauten mich besorgte Gesichter an, die sich aber sofort aufhellten, als sie mich erkannten.
Ich setzte mich geradewegs zu Iris, sie drückte mir kurz die Hand und da fing die Alte auch schon an zu erzählen:


"Der Schatz am Rande des Regenbogens

Es war einmal ein alter Mann. Der lebte ganz allein im Wald in einer kleinen Hütte und wahr sehr, sehr unglücklich. Jeden Tag saß er auf einer Bank vor seinem Häuschen und starrte vor sich hin. Erhörte nicht wie die Vögel sangen, er spürte den Wind nicht, der mit den Blättern der Bäume spielte, er fühlte nicht die Sonnenstrahlen auf seiner Haut, er roch den würzigen Tannenduft nicht, und er sah nicht, wie die Tiere des Waldes immer wieder zutraulich herankamen.

Er hielt den lieben langen Tag den Kopf gesenkt und dachte nach. Seine Gedanken kreisten immer nur um eine Sache. Warum, so fragte er sich wieder und wieder, warum nur war die Prophezeiung der schönen Fee nicht in Erfüllung gegangen? Dabei war der Fall doch ganz klar. Seine Mutter hatte ihm die Geschichte oft erzählt. Damals, als er vor vielen Jahren in dem tausend Jahre alten Wasserschloss, in der Mitte des Waldsees geboren wurde, damals, genau eine Stunde nach der Geburt, hatte plötzlich eine Fee an seiner Wiege gestanden.

Sie hatte wunderschöne lange Haare, erinnerte sich seine Mutter. Fein und schimmernd wie Spinnweben, auf die die Sonne scheint. Und sie hatte ein Lächeln auf den Lippen, das jeden, ob Mann oder Frau, dahinschmelzen ließ. Was die Fee dann gesagt hatte, das hat sich der Mann genau gemerkt, zu oft hatte es ihm seine Mutter, die nun natürlich längst gestorben war, wiederholen müssen. Am Ende des Regenbogens liegt ein großer Schatz für dich. Genau diese Worte hatte die Fee zu dem Säugling gesprochen. Dann war sie verschwunden.

Kaum war er alt genug, hatte der Mann auf der ganzen Welt nach diesem Schatz geforscht. Er war von Land zu Land gereist, hatte in den Bergen nach Edelsteinen, in den Flüssen nach Gold gesucht, und er war nach versunkenen Schiffen auf den Meeresgrund getaucht. Es war ein wildes, abenteuerliches Leben gewesen, voller Ungeduld und Gier. Doch den Schatz, nein, den hatte er nie gefunden. Er war arm wie eine Kirchenmaus geblieben, und sein Erbe, das schöne Wasserschloss, fiel an seinen jüngeren Bruder, weil er sich nie darum gekümmert hatte.

"Am Ende des Regenbogens, so ein Unsinn!" pflegte er regelmäßig am Ende seiner Grübelein zu sagen und missmutig in die Hütte zurückzustampfen, um sich schlafen zu legen.

So lebte er dahin, bis eines Tages etwas geschah. Es hatte tagelang geregnet, doch plötzlich war mit Macht die Sonne durchgebrochen, obwohl es noch etwas nieselte. Der alte Mann saß mal wieder mit gesenktem Kopf vor seiner Hütte und zertrat wütend eine kleine Blume. Doch plötzlich veränderte sich das Licht, und der alte Mann schreckte auf. Und da sah er es. Ein riesiger Regenbogen spannte sich über den Wald, hoch über die höchsten Wipfel der Bäume. Ein Regenbogen in den schönsten Farben, so prächtig, wie er es noch nie gesehen hatte. Und das Ende des Regenbogen zeigte genau auf ihn.

Ja, der alte Mann saß direkt am Ende des Regenbogens. Da kam ihm die Erleuchtung. Der Schatz am Ende des Regenbogens, das war er selber. Der alte Mann begann zu weinen. Er ging in seine Hütte und weinte drei Tage und drei Nächte lang.

Dann trat er wieder heraus. Er holte tief Luft und spürte, wie das Leben in ihn zurückströmte. Er fühlte sich um Jahrzehnte jünger. Er sah auf den Boden und bemerkte einen kleinen Käfer, der auf den Rücken gefallen war. Er bückte sich und drehte ihn behutsam herum. Dann blickte er hoch und nahm wahr, dass der Himmel leuchtend blau war.

Da wusste er, dass ein langes, glückliches Leben vor ihm lag.

Und jetzt geht alle früh schlafen! Morgen ist Jûlfest."

Ich lag noch lange Zeit wach und dachte über die Ratschläge der Irrwische nach. Wie auch immer ich es anstellen würde, morgen würde die Entscheidung sein.
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Tankred
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 22 Dez 2010, 00:28


Keine Möglichkeit länger im Stillen zu verweilen.
Alle waren zu aufgeregt vor der Vorfreude auf den heutigen Abend.

Ich hatte kaum die Möglichkeit kurz meinen eigenen Gedanken nachzugehen. Dafür war auch zuviel zu tun.

Wildschweine galt es in der Halle am Spieß zu braten. Der süße Brei musste in einem großen Kessel gekocht werden, es galt die Tiere zu versorgen, allerlei Zierrat und Baumgrün musste aufgehängt und Tische aufgestellt werden und endlich galt es noch Tannenäste überall an Wände, Pfeiler, Pfosten und Deckenbalken aufzuhängen.

Man bemerkte gar nicht, wie schnell die Zeit verging, aber mit einem mal war es schon wieder dunkel und die große Festlichkeit begann.

Allesamt saßen wir im Rund an Tischen und schlemmten was es nun gab. Wildbret mit Kohl und anderem Gemüse. Gekochte Würste. Eingelegtes Kraut. Dazu gutes frisches Bier und warmer Met.

Zwischendrin gab es ein Schaustück, aufgeführt von den Kindern des Dorfes. Es handelte wohl von einer Geschichte, das der Mond immer wieder käme um nach einem Kind zu sehen.
Ich trank wohl viel und schnell denn so schön die Feier auch war, hielten sich bei mir die trüben Gedanken, denn für Iris hatte ich immer noch nichts.
Sie saß mir gegenüber am anderen Ende der Halle und lächelte mir immer wieder zu. Ich lächelte gezwungen zurück.

Nun war es soweit, dass die Tür aufsprang und drei dämonisch anzusehende Gestalten hereinsprangen. Sie läuteten Glocken, ihre Haut war schwarz wie Ruß und sie waren ganz mit Fell behängt. Mein Herz setzte beinahe aus und erst auf dem zweiten Blick, als die anderen Bewohner vor erschrecktem Vergnügen kreischten, bemerkte ich, dass Ulfgar und zwei weitere Männer des Dorfes unter dieser Kostümierung steckten.
Während sie noch allerlei Schabernack trieben, öffnete sich wiederum die Tür und drei Gestalten, ganz in weißes Fell gehüllt traten unter lauten "Oh"-Rufen ein. Drei Frauen, Iris, Ulfgars Weib und eine weitere waren es. Sie sahen aus wie das reinste Licht.

Direkt gingen die als dunkle Dämonen Verkleidete auf sie los und die als Lichte verkleideten zogen weiße Stäbe hervor und stachen die Dämonen nach kurzem Kampf unter allgemeiner Jubelstimmung nieder.

Während die "Dämonen" unter Heulen und Jaulen zur Tür hinausliefen, sprachen die drei Frauen:


"Wintersonnenwende!
Nacht ist nun zu Ende!
Schenkest, göttliches Gestirn,
neu dein Herz an Tal und Firn!

O der teuren Brände!
Hebet hoch die Hände!
Lasset uns die Guten loben!
Liebe, Liebe, dir da droben!

Wintersonnenwende!
Nacht hat nun ein Ende!
Tag hebt an, goldgoldner Tag.
Blühn und Glühn und Lerchenschlag!

O du Schlummers Wende!
O du Kummers Ende!"

Und unter allgemeinen Gejubel, auch der drei ehemaligen Dämonen, welche sich die schwarze Farbe wohl schnell mit Schnee von ihren Gesichtern abgewaschen hatten, warfen sie duftende Kräuter ins Feuer in der Mitte des Raumes. Sofort wurden neue Getränke ausgeschenkt und ich sprach diesen auch kräftig zu.

So wurde weiter getrunken und gefeiert, bis sich die alte Nana erhob und in die Mitte des Raumes ging. Jemand stellte ihr einen Stuhl bereit und alle verstummten.

"Heute," so sprach sie, "Heute ist der Tag der Veränderungen. Die dunkle Zeit ist vorüber und ein neuer Anfang beginnt heute. Hoffnung ist immer da! Und wer weiß, wohin die Wege einen führen. Heute will ich euch eine Geschichte erzählen über die Hoffnung.


König Drosselbart

Ein König hatte eine Tochter, die war über alle Maßen schön, aber dabei so stolz und übermütig, daß ihr kein Freier gut genug war. Sie wies einen nach dem andern ab, und trieb noch dazu Spott mit ihnen. Einmal ließ der König ein großes Fest anstellen, und ladete dazu aus der Nähe und Ferne die heiratslustigen Männer ein. Sie wurden alle in eine Reihe nach Rang und Stand geordnet; erst kamen die Könige, dann die Herzöge, die Fürsten, Grafen und Freiherrn, zuletzt die Edelleute. Nun ward die Königstochter durch die Reihen geführt, aber an jedem hatte sie etwas auszusetzen. Der eine war ihr zu dick, »das Weinfaß!« sprach sie. Der andere zu lang, »lang und schwank hat keinen Gang.« Der dritte zu kurz, »kurz und dick hat kein Geschick.« Der vierte zu blaß, »der bleiche Tod!« der fünfte zu rot, »der Zinshahn!« der sechste war nicht gerad genug, »grünes Holz, hinterm Ofen getrocknet!« Und so hatte sie an einem jeden etwas auszusetzen, besonders aber machte sie sich über einen guten König lustig, der ganz oben stand und dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen war. »Ei,« rief sie und lachte, »der hat ein Kinn, wie die Drossel einen Schnabel;« und seit der Zeit bekam er den Namen Drosselbart. Der alte König aber, als er sah, daß seine Tochter nichts tat als über die Leute spotten, und alle Freier, die da versammelt waren, verschmähte, ward er zornig und schwur, sie sollte den ersten besten Bettler zum Manne nehmen, der vor seine Türe käme. Ein paar Tage darauf hub ein Spielmann an unter dem Fenster zu singen, um damit ein geringes Almosen zu verdienen. Als es der König hörte, sprach er »laßt ihn heraufkommen.« Da trat der Spielmann in seinen schmutzigen verlumpten Kleidern herein, sang vor dem König und seiner Tochter, und bat, als er fertig war, um eine milde Gabe. Der König sprach »dein Gesang hat mir so wohl gefallen, daß ich dir meine Tochter da zur Frau geben will.« Die Königstochter erschrak, aber der König sagte »ich habe den Eid getan, dich dem ersten besten Bettelmann zu geben, den will ich auch halten.« Es half keine Einrede, der Pfarrer ward geholt, und sie mußte sich gleich mit dem Spielmann trauen lassen. Als das geschehen war, sprach der König »nun schickt sichs nicht, daß du als ein Bettelweib noch länger in meinem Schloß bleibst, du kannst nur mit deinem Manne fortziehen.«

Der Bettelmann führte sie an der Hand hinaus, und sie mußte mit ihm zu Fuß fortgehen. Als sie in einen großen Wald kamen, da fragte sie



»ach, wem gehört der schöne Wald?«

»Der gehört dem König Drosselbart;

hättst du'n genommen, so wär er dein.«

»Ich arme Jungfer zart,

ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!«



Darauf kamen sie über eine Wiese, da fragte sie wieder



»wem gehört die schöne grüne Wiese?«

»Sie gehört dem König Drosselbart;

hättst du'n genommen, so wär sie dein.«

»Ich arme Jungfer zart,

ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!«



Dann kamen sie durch eine große Stadt, da fragte sie wieder



»wem gehört diese schöne große Stadt?«

»Sie gehört dem König Drosselbart;

hättst du'n genommen, so wär sie dein.«

»Ich arme Jungfer zart,

ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!«



»Es gefällt mir gar nicht,« sprach der Spielmann, »daß du dir immer einen andern zum Mann wünschest: bin ich dir nicht gut genug?« Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie



»ach, Gott, was ist das Haus so klein!

wem mag das elende winzige Häuschen sein?«



Der Spielmann antwortete »das ist mein und dein Haus, wo wir zusammen wohnen.« Sie mußte sich bücken, damit sie zu der niedrigen Tür hineinkam. »Wo sind die Diener?« sprach die Königstochter. »Was Diener!« antwortete der Bettelmann, »du mußt selber tun, was du willst getan haben. Mach nur gleich Feuer an und stell Wasser auf, daß du mir mein Essen kochst; ich bin ganz müde.« Die Königstochter verstand aber nichts vom Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann mußte selber mit Hand anlegen, daß es noch so leidlich ging. Als sie die schmale Kost verzehrt hatten, legten sie sich zu Bett: aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht und recht, und zehrten ihren Vorrat auf. Da sprach der Mann »Frau, so gehts nicht länger, daß wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten.« Er ging aus, schnitt Weiden und brachte sie heim: da fing sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. »Ich sehe, das geht nicht,« sprach der Mann, »spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.« Sie setzte sich hin und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger, daß das Blut daran herunterlief. »Siehst du,« sprach der Mann, »du taugst zu keiner Arbeit, mit dir bin ich schlimm angekommen. Nun will ichs versuchen, und einen Handel mit Töpfen und irdenem Geschirr anfangen: du sollst dich auf den Markt setzen und die Ware feil halten.« »Ach,« dachte sie, »wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich kommen, und sehen mich da sitzen und feil halten, wie werden sie mich verspotten!« Aber es half nichts, sie mußte sich fügen, wenn sie nicht Hungers sterben wollten. Das erstemal gings gut, denn die Leute kauften der Frau, weil sie schön war, gern ihre Ware ab, und bezahlten, was sie forderte: ja, viele gaben ihr das Geld, und ließen ihr die Töpfe noch dazu. Nun lebten sie von dem Erworbenen, solange es dauerte, da handelte der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein. Sie setzte sich damit an eine Ecke des Marktes, und stellte es um sich her und hielt feil. Da kam plötzlich ein trunkener Husar dahergejagt, und ritt geradezu in die Töpfe hinein, daß alles in tausend Scherben zersprang. Sie fing an zu weinen und wußte vor Angst nicht, was sie anfangen sollte. »Ach, wie wird mirs ergehen!« rief sie, »was wird mein Mann dazu sagen!« Sie lief heim und erzählte ihm das Unglück. »Wer setzt sich auch an die Ecke des Marktes mit irdenem Geschirr!« sprach der Mann, »laß nur das Weinen, ich sehe wohl, du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen. Da bin ich in unseres Königs Schloß gewesen und habe gefragt, ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen, sie wollten dich dazu nehmen; dafür bekommst du freies Essen.«

Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, mußte dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit tun. Sie machte sich in beiden Taschen ein Töpfchen fest, darin brachte sie nach Haus, was ihr von dem Übriggebliebenen zuteil ward, und davon nährten sie sich. Es trug sich zu, daß die Hochzeit des ältesten Königssohnes sollte gefeiert werden, da ging die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saaltüre und wollte zusehen. Als nun die Lichter angezündet waren, und immer einer schöner als der andere hereintrat, und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal und verwünschte ihren Stolz und Übermut, der sie erniedrigt und in so große Armut gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen, die da ein- und ausgetragen wurden, und von welchen der Geruch zu ihr aufstieg, warfen ihr Diener manchmal ein paar Brocken zu, die tat sie in ihr Töpfchen und wollte es heimtragen. Auf einmal trat der Königssohn herein, war in Samt und Seide gekleidet und hatte goldene Ketten um den Hals. Und als er die schöne Frau in der Türe stehen sah, ergriff er sie bei der Hand und wollte mit ihr tanzen, aber sie weigerte sich und erschrak, denn sie sah, daß es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Ihr Sträuben half nichts, er zog sie in den Saal: da zerriß das Band, an welchem die Taschen hingen, und die Töpfe fielen heraus, daß die Suppe floß und die Brocken umhersprangen. Und wie das die Leute sahen, entstand ein allgemeines Gelächter und Spotten, und sie war so beschämt, daß sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte. Sie sprang zur Türe hinaus und wollte entfliehen, aber auf der Treppe holte sie ein Mann ein und brachte sie zurück: und wie sie ihn ansah, war es wieder der König Drosselbart. Er sprach ihr freundlich zu »fürchte dich nicht, ich und der Spielmann, der mit dir in dem elenden Häuschen gewohnt hat, sind eins: dir zuliebe habe ich mich so verstellt, und der Husar, der dir die Töpfe entzweigeritten hat, bin ich auch gewesen. Das alles ist geschehen, um deinen stolzen Sinn zu beugen und dich für deinen Hochmut zu strafen, womit du mich verspottet hast.« Da weinte sie bitterlich und sagte »ich habe großes Unrecht gehabt und bin nicht wert, deine Frau zu sein.« Er aber sprach »tröste dich, die bösen Tage sind vorüber, jetzt wollen wir unsere Hochzeit feiern.« Da kamen die Kammerfrauen und taten ihr die prächtigsten Kleider an, und ihr Vater kam und der ganze Hof, und wünschten ihr Glück zu ihrer Vermählung mit dem König Drosselbart, und die rechte Freude fing jetzt erst an. Ich wollte, du und ich, wir wären auch dabei gewesen.

Das war meine Geschichte für heute. Nun lasst uns vom süßen Brei kosten!"

Sofort wurde ein großer Kessel in die Mitte des Raumes gestellt und jedem eine Schüssel voll des duftendem heißen Breis ausgeteilt.

Ulfgar, nun wieder wie ein, wenn auch schmutziger. Mensch aussehend, erhob das Wort: "So soll nach alter Sitte jeder seinen Brei essen! Aber hütet euch. Irgendwo in diesem Brei ist eine Nuss versteckt und der der sie findet, dem soll besonderes Glück im nächsten Jahr treffen! Derjenige möge seinen Wunsch niederschreiben und diesen aufbewahren."

Wir fingen also alle an zu essen. Einige vorsichtig, andere voller Eifer und dann auf einmal ein Schrei mir gegenüber. Iris erhob eine Hand und darin war eine Nuss zu sehen. Großer Jubel in der Halle. Dann durchzuckte mich ein überraschender kurzer Schmerz. Auch ich hatte auf etwas Hartes gebissen. Ich suchte und fand: Auch eine Nuss!
Als ich triumphal meine Hand erhob und auch eine Nuss präsentierte war die Stimmung kaum noch zu halten.
"Zwei Nüsse?" "Zeig mal her!" Ulfgar riß mir die Nuss aus der Hand, betrachtete sie kurz und rief: " Die Nuss hat sich geteilt! Beiden sei Glück im neuen Jahr beschert."
Allgemeiner Jubel brach seine Bahn.

Wir notierten also unsere Wünsche. Geheim natürlich wie es sich gehört. Gleich sollten die Geschenke überreicht und noch einige Lieder und Gedichte vorgetragen werden. Und dann käme der Moment der Wahrheit.

Das Fest nahm seinen Lauf. Es wurde gesungen und gelacht, Geschenke wurden überreicht. Ich bin seit diesem Tag stolzer Besitzer eines ganzen Stalls kleiner Strohtiere. So wurde ausgelassen gefeiert.

Langsam, als alle sich anschickten mehr oder weniger nüchtern doch ihre Betten aufzusuchen, wenn sie nicht langsam an ihren Plätzen einnickten, hatte ich endlich keine Gelegenheit mehr Iris auszuweichen. In einer abgeschiedeneren Ecke trafen wir uns und sie überreichte mir ein kleines in Rinde eingeschlagenes Päckchen. Ich öffnete es und hob ein eigens von ihr gewebtes Gewand hervor. Dankbar sah ich sie an. Gerade wollte ich ihr mein Bedauern ausdrücken, dass ich nichts hätte, was ich ihr geben könne, da fielen mir die beiden Gesellen vom Vortage ein. Irgendwas, was mir lieb und teuer ist. Dann war es mir, als würde ein leises Flüstern in meinem Ohr sein:
"Mach schon!" "Ja, tu es!" Als ich schnell meine Augen nach oben an die Decke wandern lies, war mir, als würde ich ein leichtes blaues und grünes Schimmern sehen. Dann wusste ich es.
Ich streifte also den Ring meines Vaters, der mir als letztes Vermögen geblieben war ab und steckte ihn ihr auf den Finger. Und mit dem Ring gab ich ihr das kleine Zettelchen, auf welches ich meinen Wunsch niedergeschrieben hatte. Sie faltete ihn auf und Iris stand dort zu lesen.
Sie sah mich kurz an, griff in ihre Schürze und holte ihren Zettel hervor.
Ingbert las ich dort.
Wir ergriffen unsere Hände und es mag dem Met und dem Bier oder auch der Mistel über unseren Häuptern geschuldet sein, aber das weitere des Abends sei sittsam verschwiegen.
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Tankred
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 22 Dez 2010, 22:20


Riesige Höhlentrolle mit passend großen Hämmern bearbeiteten eine Glocke aus Stahl. Dabei brüllten sie infernalisch und stachen mit glühenden Zapfen tief in die Augen des Zuschauers.

Oh ja liebe Freunde, so fühlte sich mein Kopf am nächsten morgen an. Als ich erwachte, versuchte ich mich zu orientieren. Ich lag nicht auf meinem gewohnten Strohlager. Die Decke war tiefer, ein Bett, kein Strohsack und neben mir...
Ach, so nah waren wir uns dann wohl gekommen. Wenn meine Kopfschmerzen nicht so furchtbar gewesen wäre, ich hätte wohl den freudigsten Morgen meines Lebens gehabt.
So erging ich mich aber darin, kurz mein Schicksal zu überdenken. Dies ging wohl am besten ausserhalb des Hauses. Ich griff mir mein Hemd, stürzte also hinaus und erbrach das, was noch in mir war.
Nachdem ich mich mit Schnee gesäubert hatte, ging ich wieder hinein und fand die schöne liebe Iris vor.
Ich will euch nicht mit Erzählungen von Liebkosungen und Neckerein langweilen, aber soviel sei gesagt:

Sie wolle mir folgen, wenn ich denn in zwei Tagen Beorsing verlassen müsste und mit mir ein neues abenteuerliches Leben beginnen. Dem sagte mir wohl zu und so beschlossen wir voller Glück den anderen unsere Hochzeit zu verkünden und durch Ulfgar als Vorsteher und die alte Nana unsere Verbindung segnen zu lassen.

Schnell verbreitete sich die neue Kunde und groß war die allgemeine Freude. Ulfgar war gerne bereit uns seinen Segen zu geben.
Auch Nana stimmte der Verbindung mit Freuden zu und so verabredeten wir die Hochzeit am nächsten Tage, dem letzten vor der ersten Raunacht zu halten.

Nun musste allerlei geplant werden. Wer möchte Schön-Iris´ Haus und Besitz übernehmen. Was wollten wir mitnehmen für die Reise und wo sollte es hingehen und wie würden wir es vollbringen zu unserem Ziel zu gelangen.

Der Tag verging mit allerlei Planungen, die immer wieder durch spontane Besuche verschiedener Bewohner unterbrochen wurde, und schließlich beschlossen wir, das Haus an den schweigsamen Otar für eine gerechte Anzahl erlesenen Pelzwerks und einen großen Pferdeschlitten zu vertauschen. Aus Iris´ Beständen übernahmen wir ein stabiles Kaltblut für den Schlitten und alles, was man zur Gründung eines neuen Lebens brauchen könnte.

Ich selber hatte leider nichts mehr beizusteuern. Meine Ladung war ja verloren und mein Besitz in Ruanon kaum vorhanden und wohl schon längst an meine Gläubiger gefallen.
Die Stadt Eschwald sollte damit unser Ziel für eine neue Zukunft werden. Wir würden zunächst am ersten Tag eine Herberge auf der Straße zwischen Balderburg und Eschwald aufsuchen um dann immer während des Tages zu versuchen Eschwald zu erreichen. Rechtzeitig zum Mitwintertag wollten wir dann in Eschwald ankommen.
Uns war nicht wohl bei dem Gedanken, aber was blieb uns anderes übrig? zwölf Tage in einer Herberge ausharren, erschien uns nicht verheißungsvoll und das ich nicht in Beorsing bleiben konnte, hatte uns Ulfgar mehr als klar gemacht.

Mit der Dunkelheit gingen wir hinüber zu Ulfgars Halle und berichteten den andren von unseren Plänen. Zwar erhielten wir Zustimmung, aber dass wir die Raunachtstage zur Reise nutzen wollten, dass war für alle beängstigend.

Dann winkte mich Nana zu sich heran. Ob ich die Reise wagen wolle. Ich bestätigte ihr dies. Ob ich auch über die Gefahren bescheid wüsste. Auch dies bestätigte ich ihr. Und ob ich bereit wäre, die Geschichten des Dorfes hinauszutragen in die Nordmark. Sei es durch Schrift und Erzählung. Ich zögerte kurz, bejahte aber auch dieses.

"Dann ist ja gut!" Und lauter, damit alle es hören konnten: "Da wir ein zukünftiges Hochzeitspaar unter uns haben, will ich heute Ingbert aufzeigen, dass man seine Frau gut behandelt und ihr nicht alle Arbeit zuträgt."

Allgmeines Gelächter war zu hören. Und sie fing an:


Die drei Spinnerinnen

Es war ein Mädchen faul und wollte nicht spinnen, und die Mutter mochte sagen, was sie wollte, sie konnte es nicht dazu bringen. Endlich übernahm die Mutter einmal Zorn und Ungeduld, daß sie ihm Schläge gab, worüber es laut zu weinen anfing. Nun fuhr gerade die Königin vorbei, und als sie das Weinen hörte, ließ sie anhalten, trat in das Haus und fragte die Mutter, warum sie ihre Tochter schlüge, daß man draußen auf der Straße das Schreien hörte. Da schämte sich die Frau, daß sie die Faulheit ihrer Tochter offenbaren sollte, und sprach »ich kann sie nicht vom Spinnen abbringen, sie will immer und ewig spinnen, und ich bin arm und kann den Flachs nicht herbeischaffen.« Da antwortete die Königin »ich höre nichts lieber als spinnen, und bin nicht vergnügter, als wenn die Räder schnurren: gebt mir Eure Tochter mit ins Schloß, ich habe Flachs genug, da soll sie spinnen, soviel sie Lust hat.« Die Mutter wars von Herzen gerne zufrieden, und die Königin nahm das Mädchen mit. Als sie ins Schloß gekommen waren, führte sie es hinauf zu drei Kammern, die lagen von unten bis oben voll vom schönsten Flachs. »Nun spinn mir diesen Flachs,« sprach sie, »und wenn du es fertig bringst, so sollst du meinen ältesten Sohn zum Gemahl haben; bist du gleich arm, so acht ich nicht darauf, dein unverdroßner Fleiß ist Ausstattung genug.« Das Mädchen erschrak innerlich, denn es konnte den Flachs nicht spinnen, und wärs dreihundert Jahr alt geworden und hätte jeden Tag vom Morgen bis Abend dabei gesessen. Als es nun allein war, fing es an zu weinen und saß so drei Tage, ohne die Hand zu rühren. Am dritten Tage kam die Königin, und als sie sah, daß noch nichts gesponnen war, verwunderte sie sich, aber das Mädchen entschuldigte sich damit, daß es vor großer Betrübnis über die Entfernung aus seiner Mutter Hause noch nicht hätte anfangen können. Das ließ sich die Königin gefallen, sagte aber beim Weggehen »morgen mußt du mir anfangen zu arbeiten.«

Als das Mädchen wieder allein war, wußte es sich nicht mehr zu raten und zu helfen, und trat in seiner Betrübnis vor das Fenster. Da sah es drei Weiber herkommen, davon hatte die erste einen breiten Platschfuß, die zweite hatte eine so große Unterlippe, daß sie über das Kinn herunterhing, und die dritte hatte einen breiten Daumen. Die blieben vor dem Fenster stehen, schauten hinauf und fragten das Mädchen, was ihm fehlte. Es klagte ihnen seine Not, da trugen sie ihm ihre Hilfe an und sprachen »willst du uns zur Hochzeit einladen, dich unser nicht schämen und uns deine Basen heißen, auch an deinen Tisch setzen, so wollen wir dir den Flachs wegspinnen, und das in kurzer Zeit.« »Von Herzen gern,« antwortete es, »kommt nur herein und fangt gleich die Arbeit an.« Da ließ es die drei seltsamen Weiber herein und machte in der ersten Kammer eine Lücke, wo sie sich hinsetzten und ihr Spinnen anhuben. Die eine zog den Faden und trat das Rad, die andere netzte den Faden, die dritte drehte ihn und schlug mit dem Finger auf den Tisch, und sooft sie schlug, fiel eine Zahl Garn zur Erde, und das war aufs feinste gesponnen. Vor der Königin verbarg sie die drei Spinnerinnen und zeigte ihr, sooft sie kam, die Menge des gesponnenen Garns, daß diese des Lobes kein Ende fand. Als die erste Kammer leer war, gings an die zweite, endlich an die dritte, und die war auch bald aufgeräumt. Nun nahmen die drei Weiber Abschied und sagten zum Mädchen »vergiß nicht, was du uns versprochen hast, es wird dein Glück sein.«

Als das Mädchen der Königin die leeren Kammern und den großen Haufen Garn zeigte, richtete sie die Hochzeit aus, und der Bräutigam freute sich, daß er eine so geschickte und fleißige Frau bekäme, und lobte sie gewaltig. »Ich habe drei Basen,« sprach das Mädchen, »und da sie mir viel Gutes getan haben, so wollte ich sie nicht gern in meinem Glück vergessen: erlaubt doch, daß ich sie zu der Hochzeit einlade und daß sie mit an dem Tisch sitzen.« Die Königin und der Bräutigam sprachen »warum sollen wir das nicht erlauben?« Als nun das Fest anhub, traten die drei Jungfern in wunderlicher Tracht herein, und die Braut sprach »seid willkommen, liebe Basen.« »Ach,« sagte der Bräutigam, »wie kommst du zu der garstigen Freundschaft?« Darauf ging er zu der einen mit dem breiten Platschfuß und fragte »wovon habt Ihr einen solchen breiten Fuß?« »Vom Treten,« antwortete sie, »vom Treten.« Da ging der Bräutigam zur zweiten und sprach »wovon habt Ihr nur die herunterhängende Lippe?« »Vom Lecken,« antwortete sie, »vom Lecken.« Da fragte er die dritte, »wovon habt Ihr den breiten Daumen?« »Vom Fadendrehen,« antwortete sie, »vom Fadendrehen.« Da erschrak der Königssohn und sprach »so soll mir nun und nimmermehr meine schöne Braut ein Spinnrad anrühren.«
Damit war sie das böse Flachsspinnen los.

Denkt an meine Worte und nun geht alle Schlafen, morgen gilt es das Jahr und zu unser aller besonderen Freude auch eine Ehe einzusegnen."

Freudig gingen wir alle aus der Halle hinaus und ich will euch nur soweit sagen, diese Nacht war nicht dem Trinken gewidmet.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 24 Dez 2010, 00:42


Selten vergehen Tage so schnell, wie dieser.

Früh morgens wurden wir vom Geklingel zahlreicher Glöckchen geweckt. Wir verließen das Haus und wurden vom gesamten Dorf empfangen. Jeder hatte etwas dabei, was klingelte oder klirrte.

Gemeinsam gingen wir dreimal um das Dorf herum. Dabei sprach Nana, welche von zwei Männern getragen wurde, unablässig ihren Segenswunsch für das Dorf in einer mir nicht bekannten Sprache. Bei der dritten Runde dann wurde sie abgesetzt und schon ging es zu unserer Vermählung.
Wir wurden von den Umstehenden mit allerlei Grün geschmückt um dann vor Nana gedrängt zu werden.

Sie sprach etwas über unzerstörbare Liebe und die Zeit. Genau kann ich mich nicht an ihren Wortlaut erinnern. Dann kamen wir zu meinem Ja-Wort, welches ich auch offen und frei gab. Iris tat mir gleich und unter dem Jubel des Dorfes ging es wieder in Ulfgars Halle, um uns aufzuwärmen und Speis und Trank zu uns zu nehmen.

Die Tafel war reichlich gedeckt, wir hatten Iris Hab und Gut auch für eine ordentliche Versorgung bei der Hochzeit hergegeben. Unter Trommeln wurde ausgelassen in der Enge der Halle getanzt und alle waren fröhlich und glücklich.

Dann kamen die Brautgeschenke. Wir erhielten viel Pelzwerk und allerlei guten Rat, von dem uns mancher erröten ließ.

Dann endlich, als alle schon müde wurden stand die alte Frau von ihrem Stuhl auf.

„Liebe Kinder,“ so sprach sie, „heute ist die letzte Nacht vor den Rauhnächten und heute zur letzten Stunde werde ich euch wieder verlassen. Seid wachsam, verlasst das Dorf nicht, geht nicht zu weit hinaus, bittet keine Fremden zu euch hinein und betet.
Doch bevor es soweit ist, will ich euch eine Geschichte erzählen, die ich jedes Jahr auf ein Neues erzähle.


Die Hollunderfrau oder auch Frau Holle

Eine Witwe hatte zwei Töchter, davon war die eine schön und fleißig, die andere häßlich und faul. Sie hatte aber die häßliche und faule, weil sie ihre rechte Tochter war, viel lieber, und die andere mußte alle Arbeit tun und der Aschenputtel im Hause sein. Das arme Mädchen mußte sich täglich auf die große Straße bei einem Brunnen setzen, und mußte so viel spinnen, daß ihm das Blut aus den Fingern sprang.
Nun trug es sich zu im Winter, in den Rauhnächten zu, daß die Spule einmal ganz blutig war, denn die böre Mutter hielt ihre Tochter selbst an den zwölf Tagen zur Arbeit an. Da bückte es sich damit in den Brunnen und wollte sie abwaschen: sie sprang ihm aber aus der Hand und fiel hinab. Es weinte, lief zur Stiefmutter und erzählte ihr das Unglück. Sie schalt es aber so heftig und war so unbarmherzig, daß sie sprach »hast du die Spule hinunterfallen lassen, so hol sie auch wieder herauf.« Da ging das Mädchen zu dem Brunnen zurück und wußte nicht, was es anfangen sollte: und in seiner Herzensangst sprang es in den Brunnen hinein, um die Spule zu holen.
Es verlor die Besinnung, und als es erwachte und wieder zu sich selber kam, war es auf einer schönen Wiese, wo die Sonne schien und viel tausend Blumen standen.
Auf dieser Wiese ging es fort und kam zu einem Backofen, der war voller Brot; das Brot aber rief »ach, zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich: ich bin schon längst ausgebacken.« Da trat es herzu, und holte mit dem Brotschieber alles nacheinander heraus. Danach ging es weiter und kam zu einem Baum, der hing voll Äpfel und rief ihm zu »ach schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.« Da schüttelte es den Baum, daß die Äpfel fielen, als regneten sie, und schüttelte, bis keiner mehr oben war; und als es alle in einen Haufen zusammengelegt hatte, ging es wieder weiter.
Endlich kam es zu einem kleinen Haus, daraus guckte eine alte Frau, weil sie aber so große Zähne hatte, ward ihm angst, und es wollte fortlaufen. Die alte Frau aber rief ihm nach »was fürchtest du dich, liebes Kind? Bleib bei mir, wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich tun willst, so soll dirs gut gehn. Du mußt nur acht geben, daß du mein Bett gut machst und es fleißig aufschüttelst, daß die Federn fliegen, dann schneit es in der Welt.
Ich bin die Frau Holle.« Weil die Alte ihm so gut zusprach, so faßte sich das Mädchen ein Herz, willigte ein und begab sich in ihren Dienst. Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit, und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig auf, daß die Federn wie Schneeflocken umherflogen; dafür hatte es auch ein gut Leben bei ihr, kein böses Wort, und alle Tage Gesottenes und Gebratenes. Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle, da ward es traurig und wußte anfangs selbst nicht, was ihm fehlte, endlich merkte es, daß es Heimweh war; ob es ihm hier gleich viel tausendmal besser ging als zu Hause, so hatte es doch ein Verlangen dahin.
Endlich sagte es zu ihr »ich habe den Jammer nach Haus kriegt, und wenn es mir auch noch so gut hier unten geht, so kann ich doch nicht länger bleiben, ich muß wieder hinauf zu den Meinigen.« Die Frau Holle sagte »es gefällt mir, daß du wieder nach Hause verlangst, und weil du mir so treu gedient hast, so will ich dich selbst wieder hinaufbringen.« Sie nahm es darauf bei der Hand und führte es vor ein großes Tor. Das Tor ward aufgetan, und wie das Mädchen gerade darunter stand, fiel ein gewaltiger Goldregen, und alles Gold blieb an ihm hängen, so daß es über und über davon bedeckt war. »Das sollst du haben, weil du so fleißig gewesen bist,« sprach die Frau Holle und gab ihm auch die Spule wieder, die ihm in den Brunnen gefallen war. Darauf ward das Tor verschlossen, und das Mädchen befand sich oben auf der Welt, nicht weit von seiner Mutter Haus: und als es in den Hof kam, saß der Hahn auf dem Brunnen und rief:
 
»kikeriki,
unsere goldene Jungfrau ist wieder hie.«
 
Da ging es hinein zu seiner Mutter, und weil es so mit Gold bedeckt ankam, ward es von ihr und der Schwester gut aufgenommen. Das Mädchen erfuhr, dass es ein Jahr fern geblieben war und es erzählte alles, was ihm begegnet war, und als die Mutter hörte, wie es zu dem großen Reichtum gekommen war, wollte sie der andern häßlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen.
Es waren wieder die Rauhnächte und daher mußte sie sich an den Brunnen setzen und spinnen; und damit ihre Spule blutig ward, stach sie sich in die Finger und stieß sich die Hand in die Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese und ging auf demselben Pfade weiter.
Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder »ach zieh mich raus, zieh mich raus, sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.« Die Faule aber antwortete »da hätt ich Lust, mich schmutzig zu machen,« und ging fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief »ach schüttel mich, schüttel mich, wir Äpfel sind alle miteinander reif.« Sie antwortete aber »du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen,« und ging damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr.
Am ersten Tag tat sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fing sie schon an zu faulenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie morgens gar nicht aufstehen. Sie machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie sichs gebührte, und schüttelte es nicht, daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde und sagte ihr den Dienst auf. Die Faule war das wohl zufrieden und meinte, nun würde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Tor, als sie aber darunter stand, ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. »Das ist zur Belohnung deiner Dienste,« sagte die Frau Holle und schloß das Tor zu. Da kam die Faule heim, aber sie war ganz mit Pech bedeckt, und der Hahn auf dem Brunnen, als er sie sah, rief
 
»kikeriki,
unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie.«
 
So blieb sie nur zwölf Tage und nicht ein Jahr. Das Pech aber blieb fest an ihr hängen und wollte, solange sie lebte, nicht abgehen."

Die alte Frau verstummte, aber statt das alle aufstanden, blieben sie sitzen. Ich erfuhr von meiner Braut, dass wir alle sie zu dem Beginn ihrer Reise begleiten wollen.
Nun, solange hatten wir wenigstens noch Zeit mit den anderen zu reden und über unser Fortkommen zu debattieren. Wir kamen überein, dass wir, wenn wir die Strecke sicher schaffen wollen würden, Schon ihn frühster Dunkelheit, dass man gerade wieder die Hand vor Augen sehen könne, losziehen müssten. Alle wollten uns Abschied geben.
Während wir noch sprachen, waren Otar, als neuer Hausbesitzer, und seine Frau so freundlich, unsere Hochzeitsgeschenke und alles was wir auf unsere Reise mitnehmen wollten, schon einmal auf den Schlitten zu packen.

Dann war es kurz vor Mitternacht. Die vornübergebeugte Gestalt der Alten straffte sich plötzlich und sie stand auf. Wir alle erhoben uns mit ihr, Einige zündeten Fackeln an. In einer langen Prozession folgten wir Nana zum Waldessaum.

War sie vorher gebeugt, so stand sie nun gerade und stolz vor uns. "Ich wünsche euch vom Herzen alles Gute für die nächsten zwölf Tage. Hütet euch und seid wachsam. Keinen von euch will ich vergessen und ich segne euch alle."
Die Dorfbewohner gingen allesamt an ihr vorbei und verbeugten sich noch einmal. Für jeden hatte sie einen kurzen Satz, den sie ihm ins Ohr flüsterte. Als die Reihe dann endlich an mir war, ich war der letzte, beugte auch ich mich vor und mir sagte sie: "Wohin du auch gehst, vergiss die Geschichten nicht. Alles Glück was du brauchst hast du hier gefunden und soweit meine Macht trägt, will ich euch schützen. Nun gehe ich zu meinen Schwestern und Brüdern. Wir beide aber werden uns wohl nie wieder sehen."

Sie drehte sich um und ging ohne nochmals zurück zu blicken durch die Bäume in das Dunkel des Waldes. Mir war, als würde ich eine Melodie hören. So rein und klar und leise und schön, dass sie nicht von dieser Welt zu sein schien.

Wir drehten uns alle um und gingen in unsere Hütten. Nicht mehr viele Stunden blieben uns zur Ruhe, bevor wir losziehen müssten.
Iris wollte noch schnell prüfen, ob etwas wichtiges im Haus verblieben wäre, ich wollte so lange schauen, wie der Schlitten gepackt war. Kaum aber bog ich um die Ecke in den Verschlag in welchem Zugpferd und Schlitten standen, da sah ich ein blaues und grünes Funkeln.

"Alles Gute zur Hochzeit!" "Ja genau!"
"Pass auf, wir haben nicht viel Zeit!" "Die wachsamen Augen der Alten sind gerade anders beschäftigt." "Verwandtschaft begrüßen und so!" "Den Tänzern zuschauen." "Daher können wir auch kurz hier sein!" "Nun, wie auch immer, wir möchten dir etwas mitgeben, das sicherlich dafür sorgt, dass eure Geschichte in unserem Sinne ausgehen wird."
Grünling schnippste kurz mit den Fingern und ein kleines grünes Flämmchen umzüngelte einen kleinen Jutebeutel.
"Das ist unser Geschenk für euch." "Aber erst öffnen, wenn ihr an eurem Reiseziel angekommen seid!" "Sonst wirkt der Zauber nicht!"
"Lebe wohl!" "Ja, genau, lebe wohl!"
"Lebt ihr auch wohl!"
Und so waren sie verschwunden.

Es war nicht die rechte Stimmung für eine erste Hochzeitsnacht. Zu viele Sorgen bedrückten uns. Sollten wir unsere Reise wirklich überleben. Vieles sprach nicht dafür. Aber nach allem, was ich hier gesehen und erlebt hatte, wollte ich die Mächte dieser Welt auch nicht herausfordern. Ich schlief unruhig ein.
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Re: Der Winter ist hart in der Nordmark...

Beitrag von Tankred » 24 Dez 2010, 14:50


Früh am nächsten Tag, noch weit vor Dämmerungsbeginn, waren wir wieder wach. Erholsam war der Schlaf nicht, aber immerhin hatten wir wenige Stunden nicht mit Grübeln verbracht.

Wir gingen hinaus. Und ich sage euch, in der Luft waren seltsame Stimmen zu hören.
Wir spannten also den Schlitten an und da kamen auch schon diejenigen, welche uns verabschieden wollten. Tief eingepackt waren sie, denn es war wirklich bitter kalt. Wir hörten noch Ratschläge wie: "Passt auf euch auf." "Lebet Wohl." "Schaut nicht zurück!"
Ulfgar schüttelte uns noch die Hände und gab uns den Rat nur nach Osten zu fahren.
"Die Brüder seien mit euch!"
"Und ihr Schutz auch euch gewiß!"

Dann ging es los.
Dick eingepackt in Felle saßen wir hinten auf dem Schlitten und hießen das Pferd ziehen.
Es tat einen Ruck und mit Beginn der Dämmerung fuhren wir los in die Einsamkeit des tief verschneiten Waldes.
Langsam fuhren wir so sicherlich eine Stunde. Wir kamen gut vorwärts, aber noch steckten wir im Wald. Ich hatte wirklich Angst. Würden wir es schaffen oder führte ich meine Liebste nach nur einem kurzen Moment des Glücks in den sicheren Kältetod.

Mit einem mal ein Heulen im Wald, das uns das Blut in den Adern gefrieren ließ. Kein Tier dieser Welt hörte sich so an. Die Baumwipfel bogen sich und ein Rauschen ging durch die Äste und ließ so manchen brechen. Die beginnende Helligkeit war verschwunden und es wurde dunkel um uns.
Iris flüsterte noch ängstlich: "Die Jagd hat begonnen!"
Dann begann der Schneesturm. Ich konnte die Hand nicht mehr vor Augen sehen, so dicht wirbelte der Schnee um uns herum. Wir verbargen uns tief in die Felle und man konnte spüren, wie das Zugtier immer träger wurde. Dann blieb es ganz stehen. Ich konnte Iris noch nicht einmal meine Dankbarkeit für ihre Liebe ausdrücken, denn der Sturm übertönte alles. Die Zügel in meinen Händen wurden schlaff. Und die Stimmen aus dem Sturm kamen mir vor wie sinistre Dämonen.
Und als ich uns schon aufgegeben hatte, tat der Schlitten mit einem mal einen Ruck und zog uns durch die Dunkelheit.
Leicht glitten wir dahin und ich verspürte wieder Hoffnung. Genauso ging es wohl auch meiner lieben Braut, denn sie drückte aufmunternd meine Hände.
Der Sturm wurde schwächer und man konnte wieder einige Meter zur Seite blicken. Aber als ich dies tat, da sah ich dunkle Gestalten neben dem Schlitten herlaufen. Sie schienen abwechselnd auf zwei und vier Beinen zu laufen. Weißes Fell umhüllte sie und ihre Köpfe ähnelten eher denen von Rindern, als Menschen, wobei sie statt der Nase einer Kuh ein Maul wie ein Hecht hatten. Drei Schritt waren sie sicherlich groß und unter ihren befellten Körpern waren ihre dicken Muskelstränge deutlich zu sehen. Der zu unserer Linken hob den Kopf und starrte mich aus gelben Augen an. Er riß das Maul weit auf und ich blickte in einen bezahnten Schlund und dann sprang er ab um unseren Schlitten zu erreichen. Ich sah schon mein Leben an mir vorbeiziehen, zerfleischt von dieser dämonischen Kreatur, da fasste wie aus dem Nichts ein großer grauer Wolf dieses Wesen aus der Luft. Es schrie laut und heiser auf und suchte sich zu wehren. Ineinander verbissen rollten die beiden rückwärts aus der Sicht.
Ein Schrei von iris ließ mich schnell nach rechts schauen. Eine weitere Kreatur, gleich schrecklich wie die auf der anderen Seite war, wurde gerade, als sie kurz davor war unseren Schlitten zu erreichen, von zwei schwarzen Wölfen gestellt. Der eine verbiß sich mitten im Sprung in ihre Hinterläufe und brachte sie zu Fall, während der andere sofort versuchte, die gefallene Kreatur an der Kehle zu packen um sie zu erwürgen. Auch dieses Bild verschwand ausser Sicht.
An den vorbeiziehenden Bäumen konnten wir erkennen, dass wir mit einer für ein Pferd kaum vorstellbaren Geschwindigkeit durch den Wald zogen.
Dann senkte sich das Brüllen des Sturmes zu einem leisen Flüstern herab und ich erkannte an dem Stand der Helligkeit der zu vermutenden verdeckten Sonne, dass wir statt nach Osten zum Waldesausgang in Richtung Süden zogen. Tief in den Bärenwald hinein.

Aber als dann der Schneefall aufhörte und wir endlich nach vorne blicken konnten, ich sage euch, wie erschreckt mussten wir feststellen, wer uns wirklich zog.
Ein riesiger Wolf mit langem weißen Fell war angespannt. Sicherlich war er so groß wie das Pferd, welches uns vorher zog. Seine vier Beine holten kräftig aus. Er drehte sich zu uns um und wir sahen seine grausame Fratze. Lange Reißzähne ragten aus seinem Maul heraus. Sie waren so spitz und verbogen, dass sich einige sogar durch seine Leftzen bohren. Neben den großen Reißzähnen waren in jedem möglichen Winkel noch kleinere Zähne gedrängt und neben diesen kleineren Zähnen waren zahllose winzige Zähne. Sein Kopf aber war vernarbt und stellenweise kahl. Ein Ohr war vollkommen zerrissen und er betrachtete uns, während er er zügig weiter nach Süden rannte, mit einem rotglühendem und einem hellblauem Auge.
Aus seinem Maul hingen aber zwei Zungen heraus.
Dieser Wolf ließ mit jeder seiner kräftigen, geschmeidigen Bewegung und seinem Aussehen nur ein Wort als Beschreibung zu: Mord! Er versprühte die Aura der Tötung bei jeder Bewegung seiner schnellen Beine und bei jedem Atemzug.
Verzweifelt klammerten wir uns aneinander. Doch dann hörten wir eine knurrige Stimme. Sie kam von eben diesem Wolf, der uns durch die verschneiten Wälder zog.

"Habt keine Furcht," sprach diese Stimme grollend, "ich werde euch nichts tun."
"Wer bist du?" rief ich gegen den Schnee an.
"Ich bin gekommen um eine Schuld einzulösen" knurrte er, "Wir werden heute vor Sonnenuntergang noch die Gebiete um Eschwald erreichen."
"Wer waren diese Monster eben?"
"Wesen aus der anderen Welt. Wir reisen zwischen beiden Welten. Wollt ihr mehr erfahren?"
Wir beide stimmten zu.

"Die Geschichte des Grimwolfs

Am Anfang, als der Schnee noch frisch und die Berge noch jung waren, waren wir die ersten Wesen auf der Welt. Lange vor Elf und Ork und Zwerg und Mensch.
Unsterblich, aber allein. Denn wir ersten hatten weder Kinder noch Partner.
Da kam es, dass einer schaffte, ein Nix wenn ich mich recht entsinne, Kinder zu schaffen. Er musste dafür nur einen Teil seiner selbst opfern. Er verzichtete auf ein Leben außerhalb des Wassers.
Und kaum war er nicht mehr allein, da konnten wir alle ihm gleichtun. Die Dryaden und Nixe begannen zunächst. Dann folgten die Trolle, Drachen und Riesen und schließlich wir. Die Urahnen der Tiere.
Jeder gab etwas.
Wir auch. Aber wir verloren die Möglichkeit hier zu wandeln. Es kam nicht sofort, sondern langsam, aber wir mussten uns immer weiter in die andere Welt zurück ziehen. Unsere Kinder und Kindeskinder allerdings verehrten uns mit jedem Tag ihres Lebens.
Als die ersten Jäger ihre Jagd begannen, waren meine Kinder da und jagten diese. Denn dies ist das einzige, was mir gefällt. Ich bin der Jäger dieser und der anderen Welt. Wenn der Schnee kommt und alles friert, beginnt meine Zeit.
Ich bin der Tod im Winter.
Dann aber tauchten die Menschen auf. Bär, mein Bekannter aus alten Tagen, warf sich an diese. Ich weiß nicht, was ihn trieb. Er wurde immer mehr wie sie. Ich aber war weiter stolz und blieb der Jäger.
Meine Kinder schickte ich aus zu kämpfen. Mit ihnen zusammen ging ich über die Welt. Was auch immer Beute war, jagte ich und tötete sie. Mein Leben bestand aus reinem Krieg. Ich konnte mir nichts schöneres vorstellen als ewig zu kämpfen.
Aber dann lud ein Fürst der Feen und Geister zum Tanze ein, wie es zu den Rauhnächten immer der Fall war und ich hatte zugesagt, kurz vorbeizukommen und friedlich zu bleiben am Hofe.
Solche Feiern interessieren mich eigentlich nicht, aber ich wollte mit den anderen Ersten sprechen um zu beratschlagen, wie es weiter gehen sollte mit der Welt, denn der Schatten wurde immer stärker.
Als ich aber den Hof betrat, sang gerade eine wunderschöne junge Fee. Nie hatte ich etwas Schöneres gesehen. Und zum ersten mal in meinem langen Leben spürte ich ein anderes Gefühl als Beutegier und Kriegslust. Ich suchte ihre Nähe und machte ihr den Hof. Aber sie wehrte mich ab. Ich brachte ihr Geschenke und viel Lob, aber sie erhörte mich nicht. Und schließlich, als ich nichts mehr wusste, da brach meine Beutegier wieder hervor und ich drohte ihr, denn ich wollte, dass sie mir gehören solle.
Jeden würde ich vernichten und zerreißen, dem sie sich näherte.
Da sah sie ängstlich drein und versprach mir, sich mir hinzugeben, wenn sie denn drei Wünsche bei mir frei hätte.
Ich versprach ihr alles was sie wünsche.
Der erste Wunsch war, dass ich nur zu ihr kommen dürfe, wenn sie wieder bei Hofe sei. Also nur die Rauhnächte über und dies erst dann, wenn alle Wünsche erfüllt seien. Dies schmerzte mich zwar sehr, aber ich hatte es versprochen. Dies also war der erste Wunsch.
Jahrelang verzehrte ich mich nach ihr. Ihrer Schönheit, ihrer Jugend, ihrer Stimme.
Dann aber rief sie mich das nächste mal. Der dunkle Schatten hatte beinahe die Menschheit in diesem Land verzehrt und alles Leben fiel in Scharen.
Sie rief mich zu sich, an ihren Wohnort, die alte Kiefer. Ich wusste wo sie wohnte, denn ich war ihr die Jahrhunderte über immer wieder gefolgt.
Aber mit erschrecken sah ich, was geschehen war. Die Kiefer war gespalten, der Wald rings herum gefällt und meine schöne, junge Braut war nur noch ein Schatten ihrer selbst. Ihr Aussehen hatte sich gewandelt und auch ihr Seelenfeuer war fast erloschen. Ich schrie und weinte. Ich war wie von Sinnen und beinahe zerriß ich mich selbst. Meine schöne Braut, verzehrt. Die Unsterblichkeit pervertiert. Der Lebensfaden fast zerschnitten.
Aber nach drei Tagen des Zornes konnte sie mich beruhigen. Sie kraulte mir mit ihren schwachen Fingern das Fell und ich hielt zu ihr und meinem Treueschwur.
Dann sprach sie den zweiten Wunsch: Zwei Brüder waren gekommen die Welt zu befreien. Sie waren nicht wie die Erstgeborenen, sondern von anderer Natur. Aber ob sie gegen den Schatten überstehen würden, dass könne sie mir nicht sagen. Ich aber möge mich zu ihnen begeben, soviele Kinder wie ich konnte in den Krieg rufen und mich diesen beiden unterwerfen.
Auch wenn es nicht meiner Natur entsprach, so gehorchte ich ihr. Ich rief zum Krieg und unterwarf mich den beiden Brüdern. Aber dies fiel mir doch leichter, als ich dachte, denn ich spürte etwas von der Jugend und der Frische dieser meiner Fee in ihnen.
Nun, wir kämpften lange und schließlich gewannen wir.
Die Jahrhunderte vergingen und ich kam immer wieder zwischen den Nächten zu meiner zukünftigen Braut. Und auch wenn ihr Körper verfallen war, ihr Herz glomm immer noch und ihre Seele zeigte noch etwas Glut.
Dann aber bat sie mich um diesen einen letzten Wunsch. Ich dachte schon, dieser Moment würde niemals kommen. Ich traf sie letzte Nacht am Hofe. Ihr Herz brannte wieder und ihre Seele war wie ein Leuchtfeuer der Freude. Ich war entzückt und begeistert. Wenn kümmert schon der Körper. Er ist nur eine Hülle. Und dann bat sie mich um den letzten Wunsch.
Und ihr letzter Wunsch war es, euch beide durch den Wald zu eurem Ziel zu begleiten. Nichts wird uns aufhalten, dessen seid sicher. Denn wenn ich diesen Wunsch erfüllt habe, dann wird sie endlich mir gehören."

So also sprach der Grimwolf und trug uns schneller als der Wind durch den Wald, er nannte diesen sein Jagdrevier, an unser Ziel. Es ging wohl schon auf Abend zu, da sahen wir die ersten kleinen Hütten an uns vorbeiziehen. Und dann brachen wir durch den Wald und vor uns tauchte die Feste Eschwald und die zugehörige Stadt aus dem Schnee auf.
Der Grimwolf blieb stehen.
"Nun, Menschenkinder, werde ich euch verlassen. Bewahrt euer Leben gut, denn es muss viel Wert gewesen sein, wenn sie dafür ihre Freiheit aufgab um endlich mir zu gehören."
Und mit einem Knurren stieg er aus dem Gespann aus und schritt zum Waldesrand. Aus dem Schatten des Waldes trat ein Rudel großer Wölfe und empfing ihn unterwürfig. Der große Wolf trat in ihre Mitte, drehte sich nochmals zu uns um und verschwand dann im Wald.
Während wir den Schlitten die letzten Schritte zum Tor zogen, hörten wir hinter uns lautes Geheul aus dem Wald.

Endlich in der Stadt angekommen, wohnten wir zunächst in einem Wirtshaus. Wir ließen die Felle taxieren, mieteten uns in einem kleinen Haus in der Stadt ein und begannen einen kleinen Pelzhandel. Es reichte zum Leben, aber viel war nicht übrig. Dann fand ich eines Tages den Beutel, den uns Grünling und Blauling geschenkt hatten und als ich ihn öffnete, da fand ich darin 10 Pfund reinsten Goldstaub.
Ab da hatten wir keine Sorgen mehr. Wir vergrößerten unser Geschäft, zwei Knaben und eine Tochter kamen hinzu und blickten zuversichtlich in die Zukunft.

Allerdings vergaß ich niemals, was ich der Alten des Waldes versprochen hatte. Und heute, auf den Tag genau vier Jahre nach unserer Ankunft in Eschwald, kann ich mit Freuden verkünden, dass ich mein Versprechen war gemacht habe, denn ihr lest gerade das, was ich erlebte.
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